Mitternachtslöwe (German Edition)
verwenden. Es sah eher so aus, als missbrauchten sie das Deck zum Spielen eines Kartenspiels. Bureus sah den Männern eine Weile zu und meinte schnell hinter das System des Spiels gekommen zu sein.
Es schien, als habe der Bärtige seinen Gegenspieler gerade in die Enge getrieben. Der Ritter des Kahlköpfigen stand unter Beschuss. Ein weiterer Stich ging an den Rotbärtigen. Und noch einer. Der Kahlgeschorene versuchte einen letzten verzweifelten Angriff direkt auf den König seines Feindes. Vergebens. Auch dieser Stich ging an ihm vorbei. Der kleine Bärtige gewann.
Kurz überlegte Johannes, ob er, wenn endlich Ruhe in der Welt eingekehrt wäre, sich vielleicht mit Tarot beschäftigen sollte. Auf seine alten Tage wäre dies sicher ein vergnüglicher Zeitvertreib, zumal er sich nicht vorstellen mochte seine verbleibende Zeit, die ihm geschenkt ward, ohne geistige Herausforderung zu verbringen.
Zunächst aber musste er sich um das Eisenkraut kümmern. Bureus hielt nach dem Mann Ausschau, den Grimm ihm empfohlen hatte.
...Mann auf einem Stein...
Mit umherschweifenden Blick schritt Johannes weiter durch die Gasse. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass sie immer dunkler und kälter wurde, um so weiter er vordrang. Mit jedem Schritt rückten die Wände näher, ja selbst die sonst so hohe Decke streckte sich dabei anscheint immer weiter dem Boden entgegen. Und Tatsache, Johannes landete in einer Sackgasse. Wände und Decke liefen rund und geschmeidig zusammen. In dieser entlegenen Ecke, welche ja eigentlich vollkommen Rund war, stand kurz vor der Wand eine Wagenrad große Steinkugel. Entweder durch duldsame Handarbeit oder das Können eines geübten Magiers perfekt geformt und glattpoliert, sodass Bureus wage das Abbild seiner selbst darauf zu erkennen vermochte. Auf ihr saß ein schmaler, dafür hochgewachsener, Mann. Irgendwie schaffte er es im Schneidersitz auf der riesigen Murmel Halt zu finden. Er verschränkte die Arme und rieb seine Hände an sich. Obwohl er ein dickes und langes Gewand trug schien er zu frieren.
»Verzeiht«, sprach Bureus ihn an, »seid Ihr Nomed?«
Der Mann zupfte sich am Spitzbart.
Geduldig wartete Johannes auf eine Antwort.
Der Mann schob seine schmale Brille zur Nasenspitze und lugte über den Rand. »Oh welch trostlos Leben würd es sein, wär nicht ein jedes Wort aus meinem Mund ein Reim.«
Hier ist auch wirklich niemand normal.
»Man sagte mir ich würde hier jemanden finden der Kräuter anbietet. Seid Ihr derjenige?«
»Gewiss Gewiss, geleitet Euch man richtig hat, bin ich es doch, der wohl versteht, Rinde, Stängel als auch Blatt. So sprecht Alter, was ist Euer Begehr, kann helfen Euch mit Kräutern, der Vielfalt biete ich gar sehr.«
»Ich benötige ein Bund Eisenkraut. Habt Ihr das?«
»Ah, welch feines Kraut Euch schwebt vor, zu erwerben dies, ein ganzes Bund, wir kosten Euch das Ohr.«
Entsetzt riss Bureus die Augen weit auf. Jetzt wusste er was Grimm meinte, als er ihm bei Nomed zu Vorsicht riet. Allerdings beruhigte ihn der schmale Mann sogleich wieder.
»Höret zu und lauschet meinem Reim, am Ende und bei Wohlgefallen, soll das Kraut dann Euer sein.« Nomed stellte sich aufrecht auf die Kugel. So sah es noch schwerer aus, überhaupt die Balance zu halten, als es im Schneidersitz schon wirkte. Er räusperte und gab sein Bestes von sich:
In Windes Höh ein Täubchen fliegt, es hier oben so schnell niemand kriegt,
unten warten sie schon, freuen sich, doch ahnst auch du, was da fleucht, noch nicht.
Hinab sinkt er, der Vogel schnell, greift mit seinen Klauen, dich auf der Stell,
nach droben hin, bis in sein Nest, verschleppt er dich und hält dich fest.
Kein Täubchen wars, das dort flog, dein eigen Aug und Sinn dich hier belog,
das Leben deiner schon am End, genommen dir, vom Schnitter aus dem Firmament.
Drum rat ich dir und jedem einen, vor Dingen aus heitrem Himmel, die da scheinen,
zunächst harmlos und voller Fried, könnt es auch ein Adler sein, der pfeift sein Todeslied.
Zunächst stand Nomed einfach weiterhin da, sagte aber nichts, weshalb Johannes sich nicht ganz sicher war, ob es das nun schon gewesen sei. Als weiter nichts passierte gab er seine Meinung zu Nomeds Beitrag ab, so wie der es ja verlangte. Zwar wusste Johannes nicht genau was er sagen sollte, aber da er das Eisenkraut dringend benötigte versuchte er einfach positiv erfreut zu wirken.
»Wirklich beeindruckend und sehr anspruchsvoll«, log Bureus, »Vor allem die metaphorische
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