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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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Spiegel schaute, hielt sie erstaunt inne. Ihre Wangen glühten in einem zarten rosigen Ton, der jedes Make-up überflüssig machte, und ihre Augen leuchteten hell wie der zartblaue Frühsommerhimmel.
    Erstaunt legte sie die Make-up-Tube weg und ließ ihre Fingerspitzen über ihre glatte leuchtende Haut gleiten.
    Die zarte Berührung ihrer eigenen Finger erinnerte sie an das, was in der Nacht geschehen war. Natürlich handelte es sich um einen Traum, aber die nächtlichen Bilder hatten eine Intensität besessen, die es mit jedem wirklichen Erlebnis aufzunehmen vermochte.
    Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor erotische Träume gehabt zu haben, noch dazu von solch eindringlicher Lebendigkeit.
    Melissa lächelte ihrem Spiegelbild verschwörerisch zu und ging in ihr Schlafzimmer zurück, um das Bett zu machen. Nachdem sie das Laken glattgezogen hatte, stopfte sie die Enden fester unter die Ecken der Matratze. Gerade wollte sie das Kopfkissen aufschütteln, da stutzte sie und schob ihre Hand noch einmal in die Ritze zwischen dem Kopfteil des Bettes und der Matratze. Als sie diesmal die Finger wieder zurückzog, hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger eine große schneeweiße Feder.
    Lange stand Melissa bewegungslos da und betrachtete das fein geschwungene Ding mit den flaumigen Enden. Vorsichtig strich sie mit ihren Fingerkuppen über die Spitze der Feder und meinte noch einmal das zarte Kribbeln zu spüren, das sie in der Nacht überall auf ihrer Haut gefühlt hatte.
    Selbstverständlich war es Zufall, dass sie nachts von einer Feder geträumt hatte und am nächsten Morgen eine in ihrem Bett fand. Vielleicht hatte sie in den vergangenen Tagen diese Feder irgendwo im Haus gesehen, ohne sie richtig wahrzunehmen, und ihr Unterbewusstsein hatte sich im Schlaf daran erinnert.
    Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie auf diese Weise die Erinnerungen an die letzte Nacht loswerden und für die Aufgaben des Tages Raum schaffen. Dann durchquerte sie das Zimmer und steckte die Feder in eine kleine Vase auf dem Kaminsims, wo sie mit ihrer elegant geschwungenen Form vor der zartgelben Wand einen hübschen Anblick bot.

6. Kapitel
    Melissa schob die kleine Kristallvase mit den Tausendschönchen, die sie auf der Wiese hinter dem Haus gepflückt hatte, genau in die Mitte des Tisches. Über den kleinen Blumen ragte in einem sanften Schwung die weiße Feder auf und verlieh dem Arrangement einen fast künstlerischen Touch.
    Während sie die Blüten noch einmal ordnete und dann mit der Spitze ihres Zeigefingers vorsichtig den zarten Flaum der Feder berührte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Der Gedanke, dass diese Feder eine ganz besondere Bedeutung für sie besaß, von der Richard nichts ahnte, gefiel ihr.
    Sie rückte den silbernen Leuchter mit der weißen Kerze ein wenig dichter an die Vase heran und warf dann einen Blick auf ihre Armbanduhr. Nur noch eine halbe Stunde, bis ihr Mann endgültig in das neue gemeinsame Heim einziehen würde – falls er es heute ausnahmsweise schaffte, sein Büro pünktlich zu verlassen. Es wurde Zeit, den Salat vorzubereiten.
    Melissa eilte vom Esszimmer in die Küche. Das Kartoffelgratin hatte sie bereits vor einigen Minuten in den Backofen geschoben, auf der Arbeitsplatte neben dem Herd lagen die Rinderfilets und die grünen Bohnen bereit, die sie dazu servieren wollte.
    Während sie das Fleisch mit Pfeffer und Kräutern würzte, überlegte sie, was sie tun würde, falls Richard auf die Idee kommen sollte, zur Feier des Tages mit ihr zu schlafen. Immerhin hatte er sie extra gebeten, ein festliches Essen vorzubereiten. Vielleicht hatte er hier in Hamburg noch keine willige Sekretärin gefunden.
    Sollte sie einfach die Augen schließen, an etwas anderes denken und seine Bemühungen über sich ergehen lassen? Schließlich würde es nicht das erste Mal sein, dass sie ihn gewähren ließ, ohne Lust zu empfinden. Meistens war es angenehmer, ihm seinen Willen zu lassen, als noch Stunden oder Tage später seine schlechte Laune ertragen zu müssen.
    Nachdem Melissa gedankenverloren die Zwiebel kleingehackt hatte, wischte sie sich vorsichtig, um ihr Make-up nicht zu verschmieren, die Tränen aus den Augenwinkeln. Es war ihr noch nie gelungen, eine Zwiebel zu schälen, ohne hinterher auszusehen wie ein Kind, das stundenlang um sein Lieblingsspielzeug geweint hatte.
    Sie öffnete das Küchenfenster und streckte ihren Kopf hinaus, um ihre brennenden Augen von der Abendluft kühlen zu lassen. Die

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