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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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»Hat er
etwas Derartiges verlauten lassen?«
»Du liebes bisschen, Virgie! Was sollte er denn sagen? Er ist
ein Mann. Männer sagen nie etwas. Aber es ist an der Zeit, und
ich bin davon überzeugt, dass das die richtige Frau für ihn ist.«
Virginia beugte sich vor, und ihre Augen leuchteten immer
noch erwartungsvoll. Seit Wochen debattierten sie nun schon
darüber, wie die geeignete Frau für Anthony aussehen könnte,
doch bis zum heutigen Tage war es ihnen nicht gelungen,
irgendein weibliches Wesen näher ins Auge zu fassen.
»Sie ist ein oder zwei Jahre jünger als Lenore war, aber viel
hübscher. Und sie sieht ihr überhaupt nicht ähnlich, was ich für
ein großes Plus halte. Sieht die neue Frau nämlich aus wie die
frühere, so kann sie nie sicher sein, ob der Mann nun sie liebt
oder die Erinnerung an seine frühere Frau. Und warte nur, bis
du die Kinder gesehen hast!«
Virginia klatschte in die Hände. »Ach, ich liebe Kinder!
Bloß zu klein sollten sie nicht sein. Babys können einen
wirklich sehr in Anspruch nehmen.«
»Das Mädchen ist etwa dreizehn, und der Junge ein bisschen
jünger.«
»Perfekt!«, krähte Virginia. »Ach, das wird schön, ein paar
Kinder im Haus zu haben.« Dann wurde ihre Miene plötzlich
nachdenklich. »Aber bist du sicher, dass Anthony sie mag?«
»Na, jedenfalls ist er nicht weggerannt, als wir sie kennen
lernten.«
»Er war mit dir zusammen?«, stieß Virginia hervor. »Ach,
meine liebe Irene, glaubst du, dass das klug war?«
»Klug oder nicht spielt überhaupt keine Rolle. Was zählt, ist,
dass wir im Park waren wie sie mit ihrer kleinen Tochter, und
die beiden so perfekt waren, dass ich einfach nicht widerstehen
konnte. Anthony trat zwar bald unter fadenscheinigen
Entschuldigungen den Rückzug an, aber da war etwas! Ich
habe es genau gesehen!«
»Und was hast du jetzt vor?«
Irene zückte eine Braue. »Na, das liegt doch auf der Hand.
Ich werde so viel wie möglich über diese Frau in Erfahrung
bringen – und da ist ein erster Schritt bereits getan. Sie hat mir
freundlicherweise erzählt, wo sie arbeitet. Jetzt brauchen wir
sie uns nur noch an Land ziehen. Warte nur, bis du sie kennen
lernst. Du wirst sie gleich ins Herz schließen, und die Kinder
auch!«
Virginia Estherbrook lehnte sich auf ihren Kissenberg
zurück. »Ich hoffe nur, dass es klappt«, seufzte sie.
»Aber sicher wird es klappen«, beschied ihr Irene, die zum
ersten Mal bei Virginia die Geduld verlor. Warum musste sie
immer so negativ denken? »Hat bisher nicht immer alles
reibungslos funktioniert, was wir uns in den Kopf gesetzt
haben?«

4. Kapitel
    Claire Robinsons Wut wog schwerer als die dicken Vorhänge,
die die nackten Ziegelmauern des Ladens verbergen sollten.
Und als das leise Klimpern des Glockenspiels an der Tür
verhallt war, spürte Caroline immer noch, wie sich die
wütenden Blicke ihrer Arbeitgeberin in ihren Rücken bohrten,
und ihre verspannte Kieferpartie – die auch nicht viel weicher
wurde, wenn sie bester Stimmung war – warnte Caroline vor
jeglichem Versuch, die Viertelstunde zu erklären, um die sie
sich verspätet hatte. Eine Erklärung hätte an Claires Laune
ohnehin wenig geändert, da die ungeheure Wichtigkeit von
Ryans Homerun, den er in der unteren Hälfte des neunten
Inning hingelegt hatte, ihr ohnehin nicht das Geringste sagte.
Kinder waren für Claire eine fremdartige Spezies, die sie hin
und wieder auf die Entfernung genießen konnte, für die ihr
aber in geschlossenen Räumen jegliche Toleranz fehlte. »Die
Vorstellung, schwanger zu sein, ist schrecklich genug«, hatte
sie Caroline einmal erklärt. »Doch die achtzehn Jahre, die
diesem Zustand folgen, sind für mich absolut undenkbar. Es
muss einen anderen Weg geben, unsere Art zu erhalten als
diesen. Der ist barbarisch!« Nachdem sie Claire nicht vorzujammern brauchte, wie schwer es ihr gefallen war, ihre Kinder
allein zu Hause zu lassen, beschränkte sich Caroline auf ein
simples »Tut mir Leid«, was Claire mit einem steifen Nicken
zur Kenntnis nahm.
    »Hoffen wir bloß, dass mir noch niemand Estelle Hollinans
Tischchen weggeschnappt hat«, meinte sie, als sie in den
abgetragenen Trenchcoat schlüpfte, der ihr Markenzeichen
war. Ganz gleich, welches Wetter herrschte, ohne ihren
Trenchcoat trat Claire keinen Schritt vor die Tür. Früher einmal
hatte Caroline sich ernsthaft mit der Frage beschäftigt, warum
dieser Mantel unter der konstanten Benutzung nicht auseinander fiel und sich gewundert,

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