Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
ging und wie stark er sich fühlte. Offensichtlich fürchtete man ihn auch hier. Das war gut so, denn oben, wo er zu leben versucht hatte, wollte man ihn nicht. Nie würde er die verzerrten Fratzen der Menschen vergessen, die ihn mit ihren Schwertern zerhackt hatten und das runde fette Gesicht des Mannes, der ihm den Kopf abschlug. Sie hatten ihn gefürchtet und gehasst, hatten ihm nicht den Hauch einer Chance gelassen, denn für sie war er etwas Grausiges gewesen, das sie auslöschen mussten.
Dogdan verhielt und blickte sich um. Seine Wahrnehmung wurde schärfer und er erkannte, dass er groß war. Größer als zuvor. Er blickte nach unten wie von einer Brücke oder einem Turm und wischte mit einer beiläufigen Handbewegung einen Dunstdämon vom Felsen. Dieser jaulte erbärmlich und klatschte in eine Ölpfütze. Er blickte hoch und pflückte ein glitschiges spinnennähnliches Wesen vom Felsen. Dieses riss sein Maul auf , und schwarze Zähne versuchten, sich in Dogdans Arm zu verbeißen. Mit einem Ruck löste er der Kreatur den Schädel vom Leib. Er ließ das zuckende Geschöpf fallen und betrachtete seinen Arm. Die Zähne hatten keine Wunden hinterlassen. Er warf den Schädel, dessen Maul sich noch immer schloss und öffnete, gegen eine Wand, wo er zerplatzte.
Dogdans Laute erfüllten Unterwelt.
Vater, ich komme zu dir!
Was würde geschehen, wenn er zugeben musste, dass er versagt hatte? Er hatte die Barb und den Mann nicht gefangen. Er hatte seinen Auftrag nicht erfüllt. Würde der Lord ihn bestrafen? Würde er ihn wieder auseinandernehmen? Konnte er das überhaupt? Schließlich wirkte dieser Körper wie aus einem Guss. Nicht mehr wie Stückwerk, kein freiliegendes Rückgrat eines Dokk, keine Auswüchse, kein Margolousmaul. Nicht so, wie es war, bevor ...
Er war perfekt!
Alles an ihm passte zusammen.
Er war – vollständig!
Würde man ihm jetzt auch den Kopf abschlagen? Ihn in Teile hauen? Oder würde man bewundernd vor ihm stehen und sagen:
»Seht hin! Ist er nicht – vollständig?«
Dogdan hätte am liebsten vor Freude gebrüllt, aber er riss sich zusammen, fürchtete, sich zu früh bemerkbar zu machen. Vater Murgon sollte noch nicht wissen, dass er zurückgekehrt war. Andererseits: Wusste der Lord von Unterwelt nicht sowieso alles?
Es war so ... kompliziert.
Nicht, dass Dogdan der Sinn dieses Wortes bewusst gewesen wäre, aber die Vorstellung, mit denen er kämpfte waren eben dies – kompliziert.
Die Festung kam immer näher, denn Dogdan war sich seines Weges sicher, als wäre er ihn unzählige Male gegangen. Er würde die Konsequenzen für sein Versagen tragen, denn schließlich bedeutete das, er konnte wieder mit Murgon zusammen sein und durfte seinen Vater sehen.
Er erklomm die schmale Brücke, die über das dampfende Wasser führte, das die Festung von dem Höhlengebilde trennte und betrat das Gebäude.
Er schnüffelte, lauschte, witterte und versuchte, seine Sinne auf Murgon zu konzentrieren. Doch er nahm den Lord von Unterwelt nicht wahr. Dogdan brummte und stapfte weiter vorwärts durch die Hallen und Gänge der Festung, die wie leergefegt wirkte.
Ein Geräusch hieß ihn innehalten.
Er legte den Schädel auf die Seite und spitzte die Ohren, denn er hatte zwei davon, nicht mehr wie früher auf jeder Seite mehrere. Zwei Ohren, zwei Augen, zwei Arme, zwei Beine. Er war ein Zweibeiner.
Das Geräusch kam aus der Tiefe, als murre das Fundament von Unterwelt. Dogdan schlich eine breite feuchte Treppe hinunter und musste sich dabei bücken. Alles in dieser Festung war groß, hoch, breit, überdimensioniert, dennoch schien es Dogdan, als wandele er in einem Haus minderer Größe.
Er lehnte sich an den Fels und atmete ruhig.
Das Geräusch war vor ihm.
Ein Singsang, der ihn zittern ließ. Eine hohe Stimme, die versonnen Töne aneinanderreihte wie Perlen oder wie Muscheln oder wie geschliffene Steine, Bilder, die Dogdan hatte, von denen er jedoch nicht wusste, woher sie kamen.
Er betrat die kleine Halle und beugte die Schultern, um sich nicht den Schädel zu stoßen.
Eine Frau, ganz schwarz gekleidet, hockte vor einem Wassergefäß, in dem es blubberte und nebelte. Sie sang und schien ganz in sich versunken. Dogdan seufzte, denn er hatte Vater Murgon erwartet. Diese Frau kannte er nicht. Woher kam sie? Wer war sie? Gwenael nicht, soviel stand fest. Es war eine Fremde.
»Dich umgibt Tragik«, sagte die Frau , und ihr Kopf ruckte hoch. Sie starrte ihn mit schimmernden Augen an. Ihr
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