Mode ist ein glitzernder Goldfisch
zurücklässt.
Ich wende mich langsam zu Alexa um, irgendwo aus der Ferne dringt etwas an meine Ohren â und übertönt das entsetzte Summen, das in meinem Kopf eingesetzt hat.
Das leise Zischen, mit dem dreiÃig Fünfzehnjährige gleichzeitig nach Luft schnappen.
»Also«, sagt Alexa schlieÃlich und sieht mich an, und ich schwöre, sie knurrt förmlich. Sie kneift die Augen zusammen. »Sieht so aus, als gibt es jetzt nur noch du und mich, Harriet.«
20
K ennt ihr das, dass in Liebesfilmen immer der Augenblick kommt, wo der schwer verliebte Held einfach nicht mehr an sich halten kann, was er empfindet, und ihn das dringende Bedürfnis überkommt, sich öffentlich zu erklären?
Es ist immer total vorhersehbar und wird immer absolut erwartet, und doch ist die Heldin immer schockiert und überrascht, als käme es aus heiterem Himmel. Das hab ich noch nie kapiert. Ich meine, wie blöd kann man überhaupt sein? Hat sie es nicht auf hundert Meter kommen sehen? Hat sie nicht â wie jeder andere â die sich allmählich aufbauende Spannung gespürt?
So langsam verstehe ich es ein bisschen besser. Man sieht so etwas nicht kommen, wenn es einen selbst betrifft. Nur wenn es jemand anderen betrifft.
Denn plötzlich weià ich: Alexas leidenschaftlicher, unerklärlicher Hass auf mich â ein Hass, der sehr der Liebe ähnelt und doch genau das Gegenteil davon ist â kann nirgends anders hin. Er ist wie ein gewaltiger pulsierender Vulkan angewachsen, der jeden Augenblick zischend zum Ausbruch kommen wird.
Und ich kann nirgends in Deckung gehen.
Oder? Verzweifelt werfe ich einen Blick auf die Tür. Soll ich fliehen? Oder den Kopf senken und es irgendwie durchstehen? Aber wir sind in der Schule. Wie schlimm kann es schon werden?
Und wisst ihr, was am beängstigendsten ist? Es juckt mich immer noch, ihre Grammatik zu verbessern. »Dich und mich«, bin ich versucht zu erwidern. »Nicht du und mich. Jetzt gibt es nur noch dich und mich, Alexa.«
»Also«, wiederholt Alexa noch einmal, und ich merke, dass die ganze Klasse immer noch die Luft anhält. »Harriet Manners.«
Ich schlucke und mache einen Schritt auf meinen Platz zu.
»O nein. Nein, nein. Du gehst nirgends hin.« Sie packt mich von hinten am Schulpullover und zerrt mich zurück vor die Klasse. Doch sie zieht nicht gewaltsam, eher behutsam, fast wie eine Mutter, die ihr Kind daran hindern will, über die StraÃe zu laufen, wenn ein Auto kommt.
Ich verharre, den Blick zu Boden gerichtet, und mache mich so klein und unscheinbar wie möglich.
»Noch dämlicher hättest du mich wohl nicht dastehen lassen können, was?«, fragt Alexa fast beiläufig. »Ich meine, âºvorgeblichâ¹? Hast du wirklich âºvorgeblichâ¹ gesagt?«
Ich finde meine Stimme,wenn auch die leiseste Stimme, die ich je gehört habe. »Das bedeutet âºanscheinendâ¹Â«, erkläre ich flüsternd. »Oder âºangeblichâ¹.«
Warum habe ich nicht einfach »angeblich« gesagt?
Meine Antwort scheint sie noch wütender zu machen. »Ich weiÃ, was es bedeutet!«, brüllt sie. »Himmel, du musst mich ja für ganz schön blöd halten, was!«
»Nein«, flüstere ich.
»O doch. Du und deine klugen kleinen Bemerkungen und deine bescheuerten kleinen Fakten und dein oberschlaues kleines Gesicht.« Sie zieht wieder die Grimasse â die, wo sie schielt und die Zähne vorschiebt. Was wirklich nicht fair ist. Sie weiÃ, dass ich schon seit Jahren keine Zahnspange mehr trage, und mein linkes Auge ist nur träge, wenn ich müde bin. »Du glaubst wirklich, du bist was Besseres, was, Harriet Manners?«
»Nein«, murmle ich wieder. Das beschämte Brennen hat sich vom Hals zu meinen Ohren ausgebreitet und kriecht mir jetzt über die Kopfhaut. Ich spüre, dass die ganze Klasse mich anstarrt, so wie sie im Zoo den Affen mit dem roten Hintern angestarrt haben. »Tu ich nicht.«
»Ich höre dich nicht«, sagt Alexa lauter. Sie kommt näher â tritt ganz dicht vor mich â, und eine kurze Sekunde lang denke ich, gleich knallt sie mir eine. »Dann will ich es mal anders formulieren: Denkst du, du wärst was Besseres als alle anderen, Harriet Manners?«
»Nein«, sage ich so laut wie möglich.
»O doch«, zischt sie und kommt noch näher, und selbst in meinem
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