Mode ist ein glitzernder Goldfisch
Liste, und du wirst feststellen, dass der Rest nach und nach auch davon verschwindet.«
Damit zieht sie den letzten Strich.
Schon dreht sich wieder alles in meinem Kopf. Reichlich viel zu verdauen in einem Durchgang. Annabel sieht mich ein paar Sekunden schweigend an und gibt mir den Zettel zurück.
Menschen, die Harriet Manners hassen:
1. Alexa Roberts
2. Die Hut-Dame
3. Die Besitzer der Stände 24 D, 24 E, 241 F, 24 G und 24 H
4. Nat
5. Klasse 11A Englische Literatur
6. Models im Allgemeinen, aber besonders Shola und Rose
7. Mrs Miller, unsere Schulleiterin
8. Annabel
9. Harriet Manners
»Eine steht noch drauf«, sage ich traurig.
»Hab ich dir nicht gesagt, du sollst Menschen, die dich sehr lieben, nicht auf so eine Liste setzen, Harriet?«
»Sie liebt mich nicht â¦Â«
»Red keinen Unsinn, sie ist nur gekränkt und sauer; das wärst du an ihrer Stelle auch. Niemand findet es toll, von jemandem, dem er vertraut, Lügen aufgetischt zu bekommen, Harriet. Wenn du weiÃt, was du jetzt für Nat tun kannst, kannst du sie auch von der Liste streichen.«
»Vielleicht â¦Â«
»Nein, keine selbst gebackenen Muffins, Harriet.«
Oh. Damit gehtâs also nicht.
Ich nicke und schiebe die Liste wieder in meine Hosentasche. Schon fühlt sich die Welt leichter an, sauberer. Ich weià wirklich nicht, warum ich nicht gleich hergekommen bin. Annabel versteht sich darauf, die Welt für mich so zu ordnen, dass alles wieder Sinn ergibt. Genau wie wenn sie mein Zimmer aufräumt. »Kommst du denn wieder nach Hause, Annabel? Irgendwann?«
Annabel seufzt und blickt noch einmal auf ihren Bericht. »Ich weià nicht, Harriet. Dein Vater hat seine eigene Liste mit Dingen, über die er nachdenken muss. Und anders als du ist er alt genug, um es allein zu tun.«
Die Wechselsprechanlage meldet sich. »Annabel? Roberta Adams sagt, wenn sie nicht bald nach Hause zu Fred geht, bekommt er Angst.«
»Gott behüte, dass ein Meerschweinchen sich meinetwegen ungeliebt fühlt. Schick sie hoch, Audrey.« Annabel sieht mich an. »Und du gehst nach Hause und studierst diese Liste«, fügt sie in ihrem normalen scharfen Tonfall hinzu. »Du weiÃt, wo ich bin, wenn du mich brauchst. Mein Bett ist im Schrank.«
Als ich mich umdrehe und das Büro verlasse, merke ich, dass ich unglaublich froh darüber bin, dass Annabel die ganze Zeit über alles Bescheid gewusst hat. Ich war gar nicht so allein, wie ich gedacht habe.
60
A lso, ich habe keinen Plan mehr.
Pläne funktionieren eh nicht. Das Universum hat mir wiederholt vor Augen geführt, dass es nicht den geringsten Respekt hat vor Tagesordnungspunkten, Druckern, Listen oder Diagrammen. Pläne funktionieren nicht, und da, wo sie eventuell funktionieren könnten und funktionieren sollten, funktionieren die Menschen nicht und ignorieren sie einfach. Ich habe also keinen Plan mehr. Ich versuche es mit einer ganz neuen Strategie, und die ist: keinen Plan zu haben.
Zum ersten Mal im Leben will ich versuchen, mich von einem Augenblick zum nächsten treiben zu lassen und zu schauen, was passiert.
Genau wie ein normaler Mensch.
Oder wie eine Biene, von einer Blüte zur nächsten.
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, sage ich, als ich die Haustür öffne. Mein Vater trägt noch den Morgenmantel vom Vortag, und der einzige Unterschied zwischen jetzt und vorhin, als ich weggegangen bin, ist der, dass er jetzt eine Familienpackung Weingummis unter dem Arm hat. Irgendwo habe ich gelesen, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens im Durchschnitt 272 Dosen Deospray verbraucht, 276 Tuben Zahnpasta und 656 Seifenstücke, und es ist offensichtlich, dass mein Vater nichts von alldem angerührt hat, seit Annabel fort ist.
»Sieh nur, wie deprimiert ich bin«, sagt er, sobald ich ins Zimmer komme. Er hält einen Weingummi hoch, betrachtet ihn traurig und steckt ihn sich in den Mund. »Ich bin so deprimiert, Harriet, ich esse sogar die grünen. Ich habe nichts mehr, wofür es sich lohnt aufzustehen. Nichts. Ich glaube, ich bleibe einfach auf dem Sofa hocken, bis ich damit verwachse und sie mich jedes Mal, wenn ich zur Toilette muss, mit einem Kran durchs Fenster hieven müssen.«
»Dad«, sage ich und setze mich neben ihn. Die Situation wird langsam kritisch: Mein Vater klingt, als glaubte er, er wäre in einer Seifenoper. Ich muss was tun. »Dad, mag Annabel
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