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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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feststellen, wohin sie gingen? Da sah er Gransfeld aus dem Werkportal kommen und nach allen Seiten Ausschau halten. Schnell ging er ihm entgegen und erzählte, was er soeben gesehen hatte.
    Verwundert schüttelte der Doktor den Kopf. »Komische Geschichte, Rudi. Da haben wir an Stelle der Rumänin plötzlich den Engländer hier. Die Herrschaften scheinen ein bißchen ›Verwechsle das Bäumelein!‹ zu spielen. Sollte mich nicht wundern, wenn wir noch mehr alte Bekannte hier …« Er hielt plötzlich inne. Während des Gesprächs waren sie wieder bis zu dem Bananenwagen gekommen. »… noch mehr alte Bekannte hier träfen«, wollte Gransfeld sagen, als Rudi ihn beim Ärmel faßte. »Herr Doktor! Sehen Sie da in der Querstraße den Mann vor dem Schaufenster stehen? Der ist’s, mit dem Morton eben zusammen war.«
    »Alle Wetter. Rudi! Ich habe doch auch gute Augen, aber auf diese Entfernung? Täuschst du dich nicht?«
    »Bestimmt nicht, Herr Doktor. Ich habe mir den Mann hier vom Wagen her aus nächster Nähe angesehen.«
    »Hm! Weißt du was, Rudi? Bleibe du hier! Kaufe dir meinetwegen noch einmal Bananen! Ich will mir den Mann auch einmal ansehen.«
    Während Rudi tat, wie ihm geheißen, ging Gransfeld allein weiter. Aber der Mann vor dem Schaufenster schien jetzt mit der Betrachtung der Auslagen zu Ende zu sein. Er setzte sich ebenfalls in Bewegung und schlug dabei ein Tempo an, daß ihm Gransfeld, ohne aufzufallen, nicht näher kommen konnte. Nach hundert Meter gab er die Verfolgung als zwecklos auf.
    *
    In einem Betrieb von der Größe der Gorla-Werke laufen Hunderte von Menschen nebeneinander her, ohne daß einer den andern näher kennt oder sich viel um ihn kümmert. Was ging zum Beispiel die andern, die an Kesseln, Retorten und Pressen ihre Arbeit verrichteten, der junge Elektromonteur im blauen Kittel an, der sich, einen Korb mit Glühlampen am rechten Arm, eine Leiter unter dem andern, auf einem Flurgang vor dem Heroinsaal zu schaffen machte!
    Jetzt stellte er seine Leiter auf und stieg darauf empor. Gemächlich drehte er eine der alten, verschmutzten Lampen aus der Fassung und ersetzte sie durch eine neue. Zweifellos war es irgendeiner der vielen Hilfsmonteure, den die Hausverwaltung hierhin geschickt hatte, um die Beleuchtungsanlage zu überholen. Übereilen tat sich der junge Mann bei seiner Arbeit nicht. Nach einem Blick auf seine Uhr kletterte er die Leiter sehr gemütlich wieder hinab und schob sie ein Stück weiter, bis dicht an die Saaltür.
    In diesem Augenblick kündete die Werkglocke den Schichtwechsel an. Türen wurden aufgerissen, schwere Schritte polterten über den Zementboden, die alte Schicht zog ab. Auch der Monteur schien Feierabend machen zu wollen. Er klappte seine Leiter zusammen und legte sie an die Flurwand, stellte den Lampenkorb daneben und stand einen Augenblick wie zaudernd.
    Dann kam plötzlich Leben in die Gestalt. Schnell schlüpfte er in den Saal und lief an Tanks und Pressen vorbei auf einen großen Kessel in der Saalecke zu. Das geöffnete Mannloch verriet, daß der Kessel außer Betrieb war. Der losgeschraubte Deckel lag daneben am Boden. Gewandt schwang der Eindringling sich auf den Kessel, tauchte durch das Loch unter und war gerade verschwunden, als die beiden Leute der Frühschicht den Saal betraten.
    Eine drückende Luft, von den Ausdünstungen der Kesselrückstände durchsetzt, umfing ihn in seinem Verlies. Auf das äußerste war der Raum im Kessel durch die zahlreichen, ihn der Länge nach durchziehenden Heizrohre beschränkt. Nur mit Mühe fand Rudi schließlich eine Lage, in der er, das Ohr dicht gegen die Kesselwand gepreßt, ausharren konnte. Dabei wirkte der eiserne Behälter wie ein Schallfänger. Greifbar nahe vernahm er die Schläge einer arbeitenden Pumpe, die die andern Kessel im Saal speiste. Deutlich klangen Schritte und Worte aus dem Saal an sein Ohr. Nur zu sehen vermochte er nicht, was sie dort taten und trieben.
    Die beiden Leute der Frühschicht, Henke und Altmüller, hatten inzwischen ihre Arbeitskleidung übergezogen und begannen die Apparate und Maschinen zu überprüfen. Am Trockner trafen sie auf ihrem Rundgang wieder zusammen. Rudi im Kessel hörte ihre Stimmen.
    »Hm, hör mal, Henke, die Sache gefällt mir nicht mehr!« »Was gefällt dir nicht mehr?«
    »Na, die Sache. Du weißt schon, was ich meine.« »Nanu! Warum denn auf einmal? Was ist mir dir los?« »Weil – ja, weil … Einmal muß die Geschichte ja doch herauskommen, und dann

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