Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Willie.»
«Möglich. Ich nehme an, er kann seinen Körper in einem Wirbel gut einsetzen, Prinzessin? Ich meine – mir gefällt, wie er sich bewegt, aber wie steht’s mit dem Muskeltonus? Ist er nackt gesehen in Ordnung?»
In der Frage verbarg sich keine Lüsternheit. Sie wußte, daß Willie ihre Affären ebenso ohne Neugier hinnahm wie sie die seinen.
«Ja. Er ist in Form, Willie. Ich habe ihn zwar nicht losgehen gesehen, aber ich würde sagen, er kennt die harten Methoden, wenn’s heiß hergeht. Mehr Sorge macht mir, wie er wohl Befehle von mir entgegennehmen wird.»
«Das muß er eben», sagte Willie einfach. «Wenn er weiter mitmachen will. Ich meine – es ist dein Spiel.
Du hast schon mit zwölf Jahren mehr darüber gewußt, wie man am Leben bleibt, als Hagan wissen wird, wenn er fünfzig ist.»
«Ja. Aber ich bin doch nur eine Frau.»
«Das wird er vergessen müssen. Und zwar wirklich vergessen.»
«Du vergißt es auch nicht, Willie. Du machst ständig ein Getue mit mir.»
«Aber nicht, sowie einmal ein Unternehmen im Gange ist, Prinzessin», sagte er nüchtern. «Wenn ich das je getan hätte, dann steckten wir schon längst in der bewußten Holzkiste. Geh in eine Unternehmung hinein und bilde dir ein, du müßtest ein bißchen was von dem Job des anderen mit tun, und du bist aufgeschmissen. Das hast du selbst mir beigebracht.»
«O nein. Das hast du schon lange vorher gewußt, Willie. In Dien-Bien-Phu und an Dutzenden Punkten westlich davon. Vielleicht hast du es früher noch nicht als Grundsatz in Worte gefaßt, aber gewußt hast du es.»
Sie hörte ihn kichern. «Ich habe früher überhaupt nichts als Grundsatz in Worte gefaßt. Habe einfach reagiert wie einer von den verflixten Hunden Pawlows.
Aber wichtig ist nun einmal, daß Paul Hagan es auf deine Weise spielen muß, Prinzessin, sonst –» Er brach ab.
Von irgendwoher aus der Finsternis, vielleicht hundert Meter entfernt, kam das leise Klappern hoher Absätze auf dem Katzenkopfpflaster. Modesty berührte Willies Arm, und sie standen auf. Er hob die Zeitung auf, die er für sie zum Sitzen hingelegt hatte, und zusammen spähten sie in die Dunkelheit. In den hohen Häusern um den Marktplatz und an der Zufahrtsstraße vom Westen her war nicht ein Licht in den Fenstern.
Die ganze Umgebung war pechschwarze Finsternis, mit einem einzigen Lichttümpel unter einer fernen Straßenlampe.
Plötzlich verhielten die energischen Schritte. Es folgte eine lange Pause, dann wurden sie zum Laufen und kamen immer näher. Modesty und Willie gingen vorwärts. Wieder hielten die Schritte an, wieder herrschte Stille.
Willie rieb sich unbehaglich ein Ohr. «Etwas ist im Gange», murmelte er. «Klingt, als hätte sie jemanden hinter sich entdeckt.»
«Ich glaube, sie ist in dem dunklen Fleck jenseits der Lampe», flüsterte Modesty. «Du gehst direkt zu ihr, Willie. Ich gehe auf dieser Seite hinunter und –» Sie blieb stehen, die Hand auf seinem Arm griff fester zu.
Eine Gestalt flitzte durch den Lichttümpel, rannte schnell, machte aber kein Geräusch – die Gestalt eines Mädchens.
«Zieht die Schuhe aus, damit sie nicht gehört wird, und rennt dann direkt durchs Licht!» sagte Willie grimmig.
«Los, zu ihr. Und schnell.»
Sie liefen los, auf lautlosen Gummisohlen, und im selben Augenblick schossen andere Gestalten durch den Lichttümpel. Zwei Männer. Einer, ein großer, überholte Nicole. Sie bog ab und rannte auf die flachen Steinstufen zu, die zu einem Übergang über einem schmalen Weg darunter führten. Modesty und Willie waren nur fünfzig Schritte entfernt, als der zweite Mann hinter dem Mädchen einher die Stufen hinauf verschwand. In diesem Augenblick erblickte der Große Modesty und Willie und blieb stehen.
«Den dort», sagte Modesty mit ausgestrecktem Zeigefinger, und Willie schwenkte von ihr weg. Der Große zögerte, drehte sich dann um und rannte. Modesty bog um den großen Steinpfosten an den Stufen und rannte sie schnell empor. Jetzt war der Kongo in ihrer Hand. Oben auf den Steinplatten lag etwas – ein Mädchen, auf der Seite, die Beine ausgestreckt. Die Schuhe und eine Handtasche lagen verstreut daneben. Es krümmte sich, hatte die Arme auf den Bauch gepreßt, und der Atem in ihrer Kehle krächzte, als sie laut und schrecklich keuchte.
Modestys Augen durchforschten schnell die Finsternis dahinter. Nichts rührte sich. Sie ging zu Nicole, ließ ihre Handtasche fallen und kniete nieder. Das Mädchen zuckte entsetzt zusammen, als
Weitere Kostenlose Bücher