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Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Titel: Modesty Blaise 05: Die Goldfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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jetzt mit dem jungen Mann, der mit am Tisch saß. Ein Arzt, soweit er die Unterhaltung mitbekommen hatte. Um ehrlich zu sein, das war kein Gast, den er ermuntert hätte. Der Anzug war billig und saß schlecht. Die Stimme war nicht laut, wirkte aber durchdringend. Und er war ungeschickt. Er hatte bereits ein Messer fallen lassen und ein halbvolles Weinglas umgestoßen. Ein sonderbarer Tischgenosse für Miss Blaise. Kein guter Bekannter, dem Anschein nach – und doch spürte Raoul instinktiv, daß mehr dahintersteckte. Vielleicht mochte sie ihn, weil er niemandem etwas vormachte. Er verstand praktisch nichts von Speisen und Weinsorten, war aber begeistert auf Raouls Ratschläge eingegangen, als die Bestellung aufgegeben wurde. Ja, das mußte es sein. Ein Mann, der niemandem etwas vormachte, mußte ihr gefallen. Solche Männer waren außerordentlich rar.
    Der vierte Gast an diesem Tisch hinterließ überhaupt keinen Eindruck. Selbst Raoul konnte sich nicht erinnern, das Gesicht jemals gesehen zu haben. Es war ein Gesicht, das man völlig vergessen konnte; es gehörte einem schmächtig gebauten Mann mittleren Alters und hatte beinahe ständig einen verbindlichen, um nicht zu sagen servilen Ausdruck. Ein nervöser kleiner Mann namens – wie hatte ihn Miss Blaise doch angesprochen? – Fraser. Ja, Mr. Fraser. Er schied als Objekt weiterer Vermutungen aus.
    Hätte Jack Fraser Raouls Gedanken lesen können, er wäre tief befriedigt gewesen. Nicht daß Fraser etwas darauf gegeben hätte, was Raoul dachte, aber es hätte ihm bestätigt, daß die Rolle, die er seit so vielen Jahren spielte, noch immer den gewünschten Eindruck hervorrief. Tatsächlich hatte Fraser schon zweimal hier gegessen, mit seinem Vorgesetzten, Sir Gerald Tarrant, der eine obskure Abteilung im Foreign Office leitete, eine Abteilung, deren Leute in vielen Teilen der Welt operierten, deren Arbeit stets geheim und oft hart war, denn sie kämpften im komplizierten Untergrundkrieg der Agenten und Spione.
    Fraser war selbst viele Jahre als Agent draußen gewesen, bevor er den Schreibtischposten als Tarrants Assistent bekam. In diesen Jahren hatte ihm das servile, unauffällige Gesicht, das er der Welt zeigte, gute Dienste geleistet.
    Hinter dieser Maske verbarg sich ein zäher, mitleidloser Mann, der manch kühles Risiko eingegangen war und manch gräßlichen, aber notwendigen Auftrag ausgeführt hatte, ohne je mit der Wimper zu zucken.
    Trotz all seiner Erfahrung ahnte Raoul nichts von der Wirklichkeit hinter der Fassade. Seine Gedanken streiften Fraser nur und stuften ihn als einen Niemand ein. Zufrieden mit seinem Urteil über Miss Blaises Tischgesellschaft drehte Raoul den Kopf, um die übrigen Tische zu mustern. Eine recht große Anzahl Stammkunden mit ihren Gästen und ein paar neue Gesichter. Nichts, was besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte – abgesehen vielleicht von den drei Männern, die schon fast mit dem Essen fertig und bei Cognac und Zigarren angelangt waren.
    Der eine kam als Kandidat für einen Stammgast in Frage, obwohl er heute abend nicht der Gastgeber war.
    Der handgenähte Maßanzug war gute hundert Pfund wert, die Sprache und die Gesichtszüge verrieten erstklassige Abstammung und Erziehung. Merkwürdig das silberne Haar. Er mußte vorzeitig ergraut sein, denn das sonnengebräunte Gesicht war das eines viel jüngeren Mannes. Der zweite Gast war von ganz anderem Kaliber. Untersetzt, mit einem derben Gesicht und zweifelhaften Tischmanieren. Den Wein stürzte er hinunter.
    Ausländer, aber schwer unterzubringen. Drahtiges, krauses Haar und eine braune Gesichtsfarbe, die nichts mit Sonnenbräune zu tun hatte. Ein stiernackiger Mann mit leicht aggressivem, leicht bedrohlichem Gehaben.
    Der Tisch war vom Gastgeber, Mr. Brunel, bestellt worden. Gegen ihn war eigentlich nichts einzuwenden, jedenfalls nichts, worauf Raoul mit dem Finger hätte weisen können, aber trotzdem verursachte ihm Mr. Brunel leichtes Unbehagen. Das war merkwürdig, denn der Statur nach war Mr. Brunel – nun ja, beinahe ein Zwerg. Einsfünfundvierzig vielleicht? Aber wohlproportioniert. Raoul schätzte ihn auf Anfang Fünfzig.
    Ein eindrucksvoller Kopf mit dichtem dunklem Haar, das an beiden Seiten schwungvoll nach hinten gekämmt war. Er trug seine teure Kleidung mit Anstand.
    Sein Auftreten war über jeden Tadel erhaben, ruhig, aber sicher. Kein Mann, mit dem man rechten konnte.
    Ruhige Augen mit schweren Lidern in einem ruhigen Gesicht. Doch seine Ruhe hatte

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