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Modesty Blaise 07: Die silberne Lady

Modesty Blaise 07: Die silberne Lady

Titel: Modesty Blaise 07: Die silberne Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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schiefgegangen war.
    Es kam auf die Gelegenheit an. Früher oder später mußte die Gegenseite irgendeine Bewegung machen, und Modestys Verstand war darauf eingestellt, die günstige Gelegenheit, oder die Chance, eine zu schaffen, zu erkennen. Das könnte auf ein Dutzend verschiedene Arten geschehen und wäre gewöhnlich unerwartet und leicht zu verfehlen. Aber die Gelegenheit würde kommen.
    Tarrant seufzte. Für Modesty würde sie vielleicht kommen. Willie hatte ihm erzählt, wie Mike Delgado, der Söldner und Killer, eine Pistole aus allernächster Nähe auf sie gerichtet hielt. Er hatte sich nur Zeit genommen, ein spöttisches Wort zu sagen, und in dieser Sekunde hatte sie gezogen und hinter ihrem Rücken gefeuert, ein Trickschuß, und Delgado war noch mit dem Lächeln auf seinen Lippen gestorben. Sie war damals natürlich bewaffnet gewesen, aber sie war unbewaffnet an jenem Tag in Kalimbe, als …
    Er zuckte ärgerlich die Achseln. Alles gut und schön, aber man brauchte besondere Fähigkeiten, um solche Gelegenheiten zu nutzen, und Tarrant wußte, daß er sie nicht besaß. Da war noch etwas. Während Modesty auf die Gelegenheit wartete, würde sie sich in Schlaf versetzen, wenn nötig tagelang, und ihre Kraftreserven schonen. Das war eine ans Mystische grenzende Eigenschaft, die sie in den harten Tagen ihrer Kindheit errungen und später, unter der Leitung eines unglaublich alten
Yogarudha
in der Wüste Thar, nördlich von Jodhpur, zu einem noch höheren Grad der Kontrolle gebracht hatte.
    Auch Willie besaß diese Eigenschaft, aber in einem geringeren Ausmaß. Bald nachdem Modesty ihn in ‹
Das Netz
› aufgenommen hatte, schickte sie ihn für zwei Monate zu Sivaji. Willie zufolge war das ein unheimliches Erlebnis gewesen. Der skelettdürre alte Mann sagte wenig und erklärte nichts. Er saß nur da.
    Und man saß bei ihm und lebte nur von ein paar Datteln. Nach einiger Zeit brauchte man sich nicht mehr schlafen zu legen, man erkannte den Unterschied zwischen Schlaf und Wachen nicht mehr. Man saß einfach da. Aber am Ende des Ganzen war etwas weitergegeben worden, das man nicht bezeichnen konnte.
    Tarrant setzte sich auf das Bett und strich sich müde über die Augen. Der Wunsch, die Fähigkeiten Modesty Blaises zu haben, war nutzlos. Was immer auf ihn zukommen sollte, er würde der Situation mit seiner eigenen geringen Kraft gegenübertreten müssen. Trachte, Zeit zu gewinnen, dachte er. Leiste bis zu einem gewissen Punkt Widerstand, und gib ihnen dann ein paar falsche Informationen, die schwer überprüfbar sind.
    Mische hier und da ein bißchen Wahrheit darunter, wo es unwichtig ist. Plane deine Rolle und laß sie dir in Fleisch und Blut übergehen. Reservierter, beherrschter Typ, große Widerstandsfähigkeit gegen Schmerz – o Gott! –, aber angreifbar mit dialektischen Argumenten.
    Faschistoide Neigungen – immer ein gutes Material für eine Bekehrung zum anderen Extrem.
    Also gut. Woran hältst du dich, wenn es schwer wird? Du versuchst, Zeit zu gewinnen. Zeit wofür? Es muß einen Funken Hoffnung geben. Modesty. Sie war da, in der Auberge du Tarn, einen Katzensprung entfernt von der Stelle, wo Reilly dir die Waffe unter die Nase hielt und die Nonnen dir die Injektion gaben.
    Haben sie einen Unfall vorgetäuscht? Wahrscheinlich.
    Also wird Reilly eine vorfabrizierte Geschichte erzählen. Und Modesty wird es nicht schlucken. Sie wird es nicht tun. Sie wird mit Reilly sprechen, das ist sicher.
    Sie wird auf irgendetwas draufkommen. Instinkt. Sie wird es
nicht
schlucken. Sie wird dich suchen. Gib ihr nur Zeit. Gewinne Zeit.
    In einem kleinen Teil seines Bewußtseins war ihm klar, daß er sich selbst betrog. Die Gegenseite würde sein Verschwinden ganz wasserdicht gedeckt haben, und es gab gar keine richtige Hoffnung. Aber eine falsche Hoffnung war besser als nichts.
    «Ich kannte einmal ein Mädchen, das betrieb Daktyliomantie», sagte Willie Garvin. Er saß auf einem hochbeinigen Hocker in der großen Küche des Penthouses und aß Rosinen aus einer neben ihm stehenden Schüssel.
    Modesty, in weißer Bluse und Schottenrock, mischte einen Quiche-lorraine-Teig für die Tiefkühltruhe und sah dabei ständig im Kochbuch nach. Die mittelmäßigen bis guten Resultate ihrer Kochkunst erreichte sie eher durch Bemühen als durch natürliche Begabung.
    Es war neun Uhr an einem Märzabend, zwei Tage nach Modestys Anruf vom Montmartre und der Nachricht von Tarrants Tod. Willie hatte sie vor ein paar Stunden am

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