Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
die Sklaverei hätte sicherlich einen Psychologen interessiert, dachte Danny und schaute hinüber zu dem winzigen Türmchen. Fast ein Drittel der Sklaven waren jetzt eifrige Kirchgänger.
Danny blieb vor der Kirche stehen und blickte nach Norden, das Tal entlang. Zweihundert Meter rechts von ihm bildete der Fluß die östliche Grenze von Limbo. Weit drüben, auf der gegenüberliegenden Seite, stieg das Land von der Flußniederung her steil an, ein paar vereinzelte Bäume ragten aus dem dichten Unterholz heraus. Dort, wo der Boden in eine flache Ebene überging, bedeckte wieder dichter Dschungel die gesamte Niederung.
Die Hauptfahrstraße führte mitten durch Limbo hindurch, leicht ansteigend gegen den Nordrand der Plantage zu, wo das Bewässerungsrohr verlief, und senkte sich dann über offenes Gelände in schwachem Gefalle hinab zum Großen Haus. Von seinem Standpunkt aus konnte Danny nur dessen Dach erkennen. Es war im georgianischen Kolonialstil errichtet. Miss Benita lebte dort mit ihrer Dienerschaft, alles Frauen, meist älteren, armen Mestizinnen, die man aus den Wäldern des Petén geholt hatte, wo sie mit Bäumefällen und Brandrodung ein kümmerliches Dasein gefristet hatten.
Für sie war die Plantage so etwas wie das Paradies.
Rechts von dem Großen Haus stand das kasernenartige Gebäude, in dem die Spezialgruppen untergebracht waren, zwanzig Söldner. Ein Stück davon entfernt befanden sich die Hundezwinger. Die Spezialen bestritten mit diesen Hunden den Wachtdienst, nahmen Zählappelle ab, jagten Ausbrecher, führten Bestrafungen durch und waren darauf vorbereitet, jeden Aufstand niederzuschlagen. Zu ihrer Zerstreuung wurden sie regelmäßig mit Zeitschriften, Büchern, Tonbändern, Filmen und Mestizenmädchen versorgt, die mit dem Hubschrauber eingeflogen wurden. Sie hatten Gelegenheit zum Jagen, Fischen und Reiten. Manchmal wurden zwei oder drei der Soldaten ausgeflogen, um eine Woche oder einen Monat später zu Tante Benitas großer Freude mit neuen Sklaven zurückzukehren.
Aber nichts konnte verhindern, daß sie hier die Klaustrophobie überkam, überlegte Danny Chavasse.
So hoch man sie auch bezahlte – kaum einer erwog, bis an sein Lebensende hierzubleiben. Ebensowenig konnte Paxero es sich leisten, einen von ihnen fortzulassen, außer zu einer Sklavenjagd – unter Aufsicht. Jedenfalls nicht so lange, bis das Ganze hier vorüber war. Und dieser Gedanke bescherte Danny Chavasse manch unruhige Nacht.
Langsam blickte er über das Tal, als sehe er es zum erstenmal. Drüben die zwei langen Rechtecke der Kaffeesträucher, Reihe neben Reihe, dazwischen die Fahrstraße. An der westlichen Umgehungsstraße lagen die großen Schuppen und die Trockenplätze, wo die Kaffeekirschen ausgebreitet, geharkt und zum Dörren gewendet wurden. Zwei der Schuppen dienten als Lager; in einem war die Wäscherei, zwei weitere bestanden lediglich aus Pfählen und Überdachungen, unter denen lange Bänke aufgestellt waren. Hier saßen, wenn die Zeit kam, die Sklaven und enthülsten die getrockneten Kirschen mit der Hand, Stunde um Stunde, um die Kaffeebohnen daraus zu gewinnen. Später kam dann der große Versorgungshubschrauber und brachte die Ernte fort.
Ein Spielzeug, dachte Danny. Das Ganze hier war ein Spielzeug für eine geisteskranke alte Frau.
Er schritt den staubigen Pfad weiter hinunter zur Arztpraxis. Als er eintrat, kam Valdez hinter der Trennwand hervor und knöpfte seine weiße Baumwollhose zu. Er war einst ein beleibter Mann mit einem ungeheuren Besitz in Paraguay gewesen, der sich nichts dabei zu denken pflegte, wenn er in einer Nacht in einem Spielcasino mehr verlor, als zehn seiner Tagelöhner in ihrem Leben verdienten. Er war nun nicht mehr beleibt. Überraschenderweise gehörte er zu jener kleinen Handvoll Leute, die sich bis jetzt erfolgreich dagegen gewehrt hatten, in die graue Trägheit der Sklavenmentalität zu verfallen.
Valdez rieb sich das Gesäß, nickte Danny zu und sagte: «Ich hoffe, du willst keinen Penicillinstoß. Kims Nadel ist nämlich furchtbar stumpf.»
Dr. Kimberly Crosier war Mitte Dreißig, so schwarz wie alle Aufseher, und der angesehenste Sklave auf der Pflanzung. Er lächelte. «Ich habe eine neue Nadel genommen, Valdez. Nur hast du so einen harten Hintern.»
«Das kommt bestimmt nicht vom Herumsitzen.»
Valdez blickte Danny an. «Wir haben heute abend Wäschedienst, nicht wahr?»
«Stimmt. Mit Louis und Julie.» Die Männer trugen Baumwollhemden und Hosen, die Frauen
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