Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
sagte er: »So gute Kämpfer habe ich noch niemals gesehen. Sie hatten keinerlei Schwächen, außer daß ihre geistige Einstellung ein bißchen zu orthodox war. Das war ganz günstig für mich. Und für Sie auch, Sir G. Ich meine, Sie dürften es jetzt wohl hinter sich haben. Irgend jemand hat gewollt, daß Sie verschwinden, und dazu den Mann mit der Armbrust auf Sie angesetzt, aber der hat versagt. Dann hat der Unbekannte alles auf eine Karte gesetzt und die polnischen Zwillinge angeheuert. Damit hatte er die Spitzenklasse, und diese Dinge sprechen sich unter den echten Profis schnell herum. Wenn es herauskommt, daß die Zwillinge den Job übernommen haben und seitdem nicht mehr gesehen worden sind, dann ist das wirklich eine Abschreckung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand anders den Auftrag noch übernehmen würde.«
Sie näherten sich den beiden Wagen, und Tarrant bemerkte: »Modesty hat mir mehrfach ihr ziemlich großes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten bestätigt, Willie. Ich glaube, ich verstehe langsam, wie recht sie damit hatte.«
Willie schüttelte den Kopf. »Das Wichtigste habe ich aber falsch gemacht«, sagte er trübsinnig. »Wenn sie dabei gewesen wäre, dann hätte sie herausbekommen, wer die Auftraggeber gewesen sind, auf irgendeine Art und Weise, aber mir ist in der Eile einfach nichts eingefallen.«
Tarrant schmunzelte. »Sie müssen sich eben ein bißchen mehr anstrengen.«
Der Zündschlüssel in dem Cortina steckte. Willie faßte die Tür nicht an, sondern fragte Tarrant: »Haben Sie einen Lappen im Auto, Sir G.? Wir wollen ja keine Fingerabdrücke hinterlassen.«
»Ja, ich habe eine Rolle sauberes Papier und dann noch ein Paar feste Gummihandschuhe, die ich immer für die Drecksarbeit nehme.«
»Na, das hier kann man ja wohl Drecksarbeit nennen. Die sind genau das richtige.«
Tarrant holte die Handschuhe. Willie streifte sie über, öffnete die Tür und suchte das Handschuhfach und die Ablage unter dem Armaturenbrett ab. Er gab einen zufriedenen Laut von sich und kam heraus, in der Hand zwei kleine Herrenhandtaschen. »Die Zwillinge hatten für ihre Arbeit vorher alles unnötige Zeug abgelegt, wie wir es uns gedacht haben.« Er übergab Tarrant die beiden Taschen. »Es könnte ja vielleicht sein, daß irgendwas drin ist, das uns einen Hinweis auf den Auftraggeber liefert. Lassen Sie die doch mal von Ihren Spezialisten genau untersuchen.«
Tarrant nahm die Taschen an sich, und Willie öffnete den Kofferraum, machte ihn wieder zu und kam zurück. »Sonst gibt es hier nichts Besonderes. Das ist mit ziemlicher Sicherheit ein Mietwagen. Ich werde ihn rüber auf den großen Parkplatz beim Torweg fahren und da stehen lassen. Sie kommen mit Ihrem Auto nach, und dann bringen Sie mich zurück, damit ich meinen Landrover holen kann. In fünfundzwanzig Minuten sind wir wieder hier, aber trotzdem werden wir das Tor hinter uns schließen, solange wir weg sind. In Ordnung?«
»Was ja wohl wichtiger ist, sind
Sie
in Ordnung?«
»Naja, ich hatte zwar ein bißchen das Gefühl, als wäre ich zwischen zwei Mühlsteine geraten, aber ich hab mir nichts Ernstes eingehandelt.« Willie rutschte hinter das Steuer des Cortina. »Machen wir uns auf den Weg. Und vielleicht schließen Sie das Tor, ich fühle mich heute ein wenig steif.«
6
»Tut mir leid, altes Mädchen.«
»Ach, komm schon, Ferdie, du kannst doch nicht gleich vor der ersten Hürde bocken.« Victoria Gräfin St. Maur sah zu dem Mann auf, der über ihr lag, und in ihrer Stimme lag sowohl Strenge als auch Ermutigung.
Ferdie Clarkson ließ sein Gesicht in das Kissen sinken und sagte ihr klagend ins Ohr: »Es ist nicht die erste Hürde, Vicky, es ist schon die zweite Runde, und ich muß mich einfach mal ausruhen.«
»Na gut, aber wenn du wieder auf mir einschläfst, so wie letztes Mal …«
»Das tue ich ganz bestimmt nicht, altes Mädchen.«
»Gut.«
»Weißt du, es gibt auch noch einen anderen Grund dafür, daß ich so schnell schlapp mache, und das ist der gute Ronnie.«
»Du brauchst dir wegen Ronnie keine Sorgen zu machen, der ist in Lissabon.«
»Ich weiß ja, aber ich habe immer
die fixe Idee
, daß er plötzlich auftaucht.«
»Du lieber Gott. Ich weiß gar nicht, wie man sich so etwas vorstellen kann.«
»Dann hast du Glück. Ich finde, er ist ein ausgesprochen gräßlicher Kerl.«
»Naja, das wird wohl schon stimmen. Aber es ist nun mal so, daß ich im Reiten immer viel besser bin, wenn ich regelmäßig gedeckt werde, und
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