Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
sie weiß, daß wir beide alte Freunde sind und was du damals in Limbo gemacht hast, und sie ist schon ein bißchen aufgeregt bei dem Gedanken, dich kennenzulernen.«
»Also ruf mich an, wenn ihr beide Zeit habt, und dann machen wir uns etwas aus.«
»Du bist wirklich eine reizende Dame.«
Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Niemals gewesen, Kim. Aber wenn ich zu einem Mann sage: ›Danke nein, und zwar aus folgendem Grund …‹, dann erwarte ich auch, daß er sich nicht gekränkt fühlt. Und umgekehrt genauso. So, und jetzt hast du es dir von der Seele geredet, es gibt überhaupt keinen Grund, daß dir das peinlich sein sollte, und du kannst dich entspannen.
Abgemacht?«
»Ja, abgemacht, Ma’am«, sagte er dankbar. Anderthalb Stunden waren vergangen, als er um die Rechnung bat. Sie hatte sich zwar vorher eigentlich gedacht, mit ihm vielleicht ins Theater zu gehen, bevor sie zusammen nach Sausalito fahren würden, jetzt aber hatte sie das Gefühl, es wäre besser, ihm die Entscheidung zu überlassen, ob er den gemeinsamen Abend lieber an diesem Punkt beenden wollte.
»Ich geh mir mal die Nase pudern«, sagte sie, »würdest du für mich inzwischen nachsehen, was sie heute abend im Curran Theater spielen?«
»Klar, mein Schatz.«
Als sie nach wenigen Minuten zurückkam, stand Kim Crozier an der kleinen Bar und studierte das Theaterprogramm einer Zeitung, die er sich wohl vom Barmann ausgeliehen hatte. Sie wollte gerade zu ihm hinübergehen, als ein Mann direkt vor ihr von seinem Tisch aufstand und aus der Nische trat, wobei er ihr den Rücken zudrehte. Dann wandte er sich dem Ausgang zu, und dadurch stand sie ihm plötzlich Auge in Auge gegenüber. Ihre Augen drückten dieselbe Überraschung aus wie seine.
»Ben!« rief sie aus. »Ben Christie, der Steinenarr höchstpersönlich! Wer sagt als erster, wie klein die Welt doch ist?«
Er blickte einen winzigen Moment lang an ihr vorbei, dann sah er sie wieder an, jetzt aber war sein Ausdruck leicht mißtrauisch, ohne ein Anzeichen des Wiedererkennens. »Sie verwechseln mich wohl, meine Dame.« Seine Stimme war gedämpft, etwas vorsichtig.
»Tut mir sehr leid.«
Sie bezwang die Wut gegen sich selbst, die jetzt in ihr aufstieg, und sah ihn bestürzt an, als sei es ihr sehr peinlich, dabei drehte sie sich halb um und bemerkte eine Gestalt, die ein oder zwei Schritte links hinter ihr stand und die Szene beobachtete. »Ach du mein Schreck, da sollte ich mich wohl entschuldigen«, sagte sie zerknirscht. »Einen Augenblick lang habe ich gedacht, Sie wären mein Cousin Ben, aber Sie sind ja viel größer, und so sehr ähneln Sie ihm eigentlich gar nicht.
Verzeihen Sie mir bitte …« Sie trat ein wenig zurück und machte eine entschuldigende Geste. Dabei warf sie einen Seitenblick auf den sonnengebräunten jungen Mann mit dem Bart, der sie genau beobachtete, sowohl sie als auch Ben Christie.
Ben ignorierte ihre Entschuldigung und sah den Mann an. »Alles klar?«
Der andere nickte. »Sicher. Gehen wir.« Sein Blick verweilte noch einen Moment auf Modesty, dann drehte er sich um. Ben Christie ging an ihr vorbei, und die beiden machten sich auf den Weg zum Ausgang.
Ganz tief unten, hinter ihrem Ärger und der Verzweiflung, die sie mit ihrem reumütigen, verwirrten Lächeln verbarg, hörte sie entfernt eine sehr leise Stimme aus ihrem Unterbewußtsein, die sich Aufmerksamkeit verschaffen wollte, aber sie hatte jetzt keine Zeit, ihr Beachtung zu schenken.
Sie ging rasch auf Kim Crozier zu, packte seinen Arm, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen, und keuchte: »Vergiß das Theaterprogramm. Komm schnell, Kim.« Er blickte sie überrascht an, dann legte er die Zeitung beiseite und ging mit ihr zum Ausgang.
Sie hielt ihn auf, sobald sie im Vorraum waren, und erklärte: »Gerade sind zwei Männer rausgegangen, der eine trägt einen braunen Anzug, der andere einen grauen. Geh vor die Tür und sieh nach, wohin sie gehen, Kim. Mach es aber unauffällig.«
Er starrte sie an, wollte etwas sagen, überlegte es sich aber anders und trat ein paar Schritte auf den Bürgersteig hinaus. Kurz danach klopfte er seine Jackentaschen ab und ging rasch zurück, als hätte er etwas vergessen. »Sie stehen an der Ecke und warten auf ein Taxi, glaube ich. Der in dem grauen Anzug hat sich nach mir umgedreht.«
»Ja, das dachte ich mir. Er hat nachsehen wollen, ob ich ihnen folge, und er darf mich auf keinen Fall sehen.«
»Modesty, was zum Teufel … ?«
»Der andere ist ein
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