Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
schüttelte den Kopf. »Das ist eine Sache für den CIA. Ich würde denen gerne sagen, daß Ben eventuell enttarnt worden ist, aber mein Problem ist, erst einmal jemanden zu finden, der mir zuhört. Eine Frau, die das Hauptquartier in Langley mit so einer Geschichte anruft, könnte vielleicht Tage brauchen, bis sie jemanden ans Telefon bekommt, der wichtig genug ist, um zu wissen, wer Ben Christie ist und welchen Auftrag er gerade hat. Sie kriegen da wahrscheinlich fünfmal am Tag falschen Alarm durch irgendwelche Witzbolde, und nur einen, der wirklich zutrifft.«
»Du kennst aber doch hier ein paar sehr einflußreiche Männer. Leute von Limbo.«
»Das geht zu langsam, Kim.« Sie wandte ihren Blick vom Wasser ab und blickte ihn an. »Kannst du hier eine Stunde auf mich warten oder vielleicht auch anderthalb? Ich glaube nicht, daß das Boot in der Zeit zurückkommen wird, aber falls es doch kommt, dann möchte ich wissen, wer an Land geht und wo sie hinfahren – wenn du das machen kannst.«
»Ich werd’s versuchen. Wohin willst du?«
»Ich kann es in einer halben Stunde zu dem Apartment in Sausalito schaffen, und von da rufe ich einen Mann in London an, der eine Geheimdienstabteilung leitet. Bei ihm ist es jetzt früh am Morgen, und ich werde ihn zu Hause erreichen. Er hat direkten Zugang zu den Spitzenleuten des CIA und ist auch mehr als glaubwürdig genug, um dort Gehör zu finden. Ich weiß, es ist ein ziemlicher Umweg, aber es gibt keine andere Möglichkeit, um Langley innerhalb der nächsten Stunde von dieser Situation zu unterrichten.«
Er hatte schreckliche Angst, daß er seine Überwachungsaufgabe hier am Hafen vermasseln könnte, und fragte: »Ginge es denn nicht schneller, diesen Mann in London von einer Zelle aus anzurufen? Oder wenn dir das zu öffentlich ist, vom St. Francis Hotel?«
Sie sah wieder über die Bucht hinaus aufs Meer.
»Nein. So viel Unterschied macht es auch nicht, Kim. Es wird bald hell, und der CIA kann gar nichts unternehmen, solange dieses Boot nicht zurückkommt. Falls es kommt. Außerdem will ich ein paar Sachen aus dem Apartment holen. Vielleicht ergibt sich da irgendeine Gelegenheit, bevor die CIA-Leute da sind.«
»Gelegenheit?«
»Frag mich nicht, was für eine, Kim. Ich weiß es nicht, ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es weitergeht oder was ich unternehmen werde, aber Ben Christie ist mein Freund, zum Teufel, und außerdem ein guter Mann, und ich werde ganz einfach alles tun, was ich kann.«
Sie drehte sich um und machte sich auf den Weg über die Jefferson Street zu der Stelle, wo sie den gemieteten Scirocco geparkt hatte.
7
»Wir werden vierundzwanzig Kilo Sprengstoff in Hohlladungen verwenden«, sagte die Stimme in der Abenddämmerung.
Ben Christie nickte. Er lehnte mit den Ellenbogen auf der Reling des kleinen Kutters und beobachtete die Lichter der Autos, die sich in einer Meile Entfernung über die Golden Gate Bridge bewegten. Sein Gesprächspartner war ein hagerer, drahtiger Mann von ziemlich großer Statur, der sehr korrektes Englisch mit leichtem Akzent sprach. Christie vermutete, daß er ein Deutscher war. Er war ihm als Hans vorgestellt worden, aber das war wohl kaum sein richtiger Name, genausowenig wie John der richtige Name des jungen Mannes mit Bart war, der jetzt auf der Brücke des kleinen Heringsloggers stand, etwas achtern von ihm und Hans.
Hans sprach sehr gerne, und Christie hörte ihm nur allzugern zu, obwohl er sich nur unter Schwierigkeiten konzentrieren konnte, denn eine Hälfte seines Verstandes war mit der Überlegung beschäftigt, ob John einen Verdacht geschöpft hatte, und mit der Frage, was wohl in diesem Moment oben auf der Kommandobrücke zwischen John und dem Schotten, den sie Sandy nannten, und Szabo besprochen wurde. Szabo kam von irgendwoher aus dem Balkan, und sein Name könnte unter Umständen sogar stimmen. Nach John schien die Ausführung des Unternehmens in seiner Hand zu liegen.
Es war wirklich ein schreckliches Pech gewesen, vom Tisch aufzustehen und plötzlich direkt Modesty Blaise gegenüberzustehen. Sie hatte sehr schnell reagiert, die Situation sehr gekonnt überspielt. Schnell und gekonnt genug, um beinahe jeden davon zu überzeugen, daß sie sich wirklich geirrt hatte. Aber John war zweifellos ein ziemlich wichtiger Kopf bei den
Watchmen
, und Mißtrauen war ein selbstverständlicher Charakterzug der Mitglieder dieser Organisation, andernfalls hätten sie nie so lange verhindern können, daß ein
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