Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
stehenden Waffen empfindlich reduzieren und zum anderen als Ablenkungsmanöver dienen.
Modesty hatte sich nicht den Kopf darüber zerbrochen, was sie machen würden, wenn sie erst einmal den Hafen erreicht hatten. Ihre weiteren Pläne würden dann von den Umständen abhängen. An der Mole waren drei oder vier Segelboote, ein Motorsegler, eine Jacht und ein kleines Sportboot vertäut.
Wenn die Jacht gestartet werden konnte, gab es keine weiteren Probleme. Falls nicht, wäre das Sportboot eine gute Alternative, vorausgesetzt, es gab Reservekanister mit Treibstoff. Die nächste Wahl würde auf den Motorsegler fallen. Aber es war anzunehmen, daß während der Nacht sämtliche Motoren betriebsuntauglich gemacht sein würden. In so einem Falle wäre es das beste, dachte Willie, die Motoren zu zerstören und das schnellste Segelboot zu nehmen.
Während Willie mit Bonsu auf den Waffenmeister wartete, der ihnen die Tür aufsperren sollte, berührte er seine Tasche, um sich zu vergewissern, daß der einfache Dietrich, den er aus einem Stück Draht seiner Matratzenfedern geformt hatte, noch da war. Wütend, daß er sich so sinnlosen Ängsten hing ab, konzentrierte er dann rasch seine Gedanken auf etwas anderes. Es gab zwei Dinge, die er und Modesty wußten und die der widerlichen weißhaarigen Kreatur, die wie eine Larve im Arbeitszimmer saß und einen Geruch von Fäulnis ausströmte, nicht bekannt waren. Eines dieser Dinge bot keinen besonderen Vorteil, war aber interessant. Der Kapitän des Tankers
Marimha
hieß Valerius, wie Thaddeus Pilgrim während seiner verworrenen Darstellung des Hallelujah-Szenariums erwähnt hatte.
Er gab fast keinen Zweifel, daß das Kapitän Axel Valerius war. Ein charmanter Gauner, der während der Zeiten des Netzes bei zwei Schiffsversicherungsbetrügereien für Modesty gearbeitet hatte. Wenn ihr Plan für die kommende Nacht funktionierte, wäre ihr Kapitän Axel Valerius zu großem Dank verpflichtet, obwohl er es niemals erfahren würde. Wenn ihr Plan scheiterte, dann würden Valerius und seine gesamte Mannschaft sicherlich sterben. Das Hallelujah-Szenarium konnte auch leicht ohne Modesty Blaise und Willie Garvin über die Bühne gehen. Sie waren nur dank Thaddeus Pilgrims krankhafter Leidenschaft für das, was er ein »interessantes Szenarium« nannte, daran beteiligt.
Das zweite, was Thaddeus Pilgrim nicht wußte, war von weitaus größerer Bedeutung. Er wußte nicht, daß Modesty Blaise mit einigem Glück eine neunzigprozentige Chance hatte, eine Botschaft aus Kalivari hinauszubringen.
13
Ein drohendes Gewitter hing schwer in der Luft. Ohne sich die Mühe zu machen, leise zu sein, schlug Modesty Blaise die Decke zurück, setzte sich in dem schmalen Bett auf und griff nach Hose und Bluse auf dem Stuhl neben ihr. Auf der anderen Seite der kleinen Zelle wurde eine Lampe aufgedreht, und Miss Johnson setzte sich halb auf. Um ihren Mund spielte ein Lächeln, aber ihre schiefergrauen Augen blickten argwöhnisch.
»Gehst du irgendwohin, Schätzchen?« fragte sie.
»Nur schnell raus, etwas Luft schnappen.« Modesty schloß den Gürtel ihrer Hosen und setzte sich, um ihre Stiefel anzuziehen. »Hier drinnen ist es wie in einer Waschküche.«
»Okay, ich komme mit.« Miss Johnson schlug die Decke beiseite und stand auf. Sie war einen halben Kopf größer als Modesty, zehn Kilo schwerer, wunderbar muskulös, und trug dunkelgraue Boxershorts. »Wir gehen zum kleinen Stand runter, Schätzchen«, sagte sie.
»Nicht zum Hafen, hm?«
Modesty zuckte die Achseln. »Mir soll’s recht sein.«
Miss Johnson zog ihren Büstenhalter an, stützte die Hände in die Hüften und beobachtete das dunkelhaarige Mädchen wachsam, aber gleichzeitig verwirrt. Sie bemerkte keinerlei Anzeichen von Spannung an Modesty, keinen Hinweis auf eine bevorstehende Aktion.
Aber …
»Wie wär’s wenn wir im Vorbeigehen Dixon und Patel mitnehmen«, schlug Miss Johnson vor. »Sie könnten ein wenig frische Luft ebenso gut gebrauchen wie wir.«
»Natürlich.« Modesty nickte unbeteiligt und stand auf. Dann bewegte sich ihr Kopf leicht, und sie sah mit einem Ausdruck der Überraschung zur getünchten Decke empor, die langsam abblätterte. »Was zum Teufel ist das?«
Miss Johnson schaute auf, und im selben Augenblick führte Modesty eine scharfe Körperdrehung aus, so daß ihr gesamtes Gewicht und ihre Kraft in den am Ellbogen abgewinkelten rechten Arm verlagert wurde; und diese Kraft wurde durch den Arm auf die für den
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