Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
wohl die Einzige.«
»Und Jungs? Gab es wirklich niemanden? Keinen von der Sorte, die man früher Verehrer nannte? Keinen, mit dem sie ging?«
Annalena schaute zu ihrer Mutter, dann fingerte sie ein Schokoröllchen aus der Kristallschale.
»Verehrer, das ist echt altmodisch. Aber ich kann etwas beisteuern: den Hof machen. Meine Urgroßmutter hat so geredet. Sie meinen also, ob jemand Lena den Hof gemacht hat?«
»Genau so«, bestätigte Uplegger.
»Na ja, erzählt hat sie davon kaum. Aber es gab wohl so jemanden, gegen Ende schon, 11. oder 12. Klasse … Da war ein Typ … nein, es muss früher gewesen sein, denn der war zwei Klassen höher, glaube ich … Na, egal …«
Nicht egal, dachte Uplegger, schaute die attraktive junge Frau freundlich an und schwieg.
»Der Typ muss totale Akne gehabt haben«, fuhr sie fort. Aknefreak , dachte Barbara sogleich. »Die haben sich irgendwie in der Schulfreizeit kennengelernt oder so … oder in dieser Spanischgruppe? Ich meine, die nach Guatemala wollte? Verdammt, ich weiß es nicht mehr!«
»Jedenfalls hat er ihr den Hof gemacht«, half Barbara.
»Da bin ich absolut sicher. Der hat ihr Briefe geschrieben, und dann hat er irgendwie ihre Handynummer rausgekriegt und sie mit Liebes-SMSen bombardiert. Der hat wohl sogar wie ein Stalker vor ihrer Tür gestanden. Aber sie wollte nichts mit ihm zu tun haben.«
»Sie hat ihm einen Korb gegeben?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Nichts mehr. Sie hat nie wieder von ihm gesprochen. Das ging irgendwie ein Vierteljahr, dann war Schluss.«
Barbara meinte: »Wenn sie ihm gleich zu Anfang einen Korb gegeben hat, war er ziemlich hartnäckig. Einem Mädchen trotz einer Zurückweisung drei Monate lang den Hof zu machen – ich mag diese Formulierung –, also das spricht doch für ein tiefes Gefühl.«
»Oder für ’nen Knall«, sagte Annalena.
»Oder so«, räumte Barbara ein. »Hat sie in diese Richtung vielleicht eine Andeutung gemacht? Dass er ihr unheimlich war, dass sie ihn für … gestört hielt?«
Annalena schüttelte den Kopf. Uplegger hatte noch etwas auf dem Herzen: »Haben Sie Lena nach dem Schulabschluss wirklich nicht wiedergesehen?«
»Doch, doch. Wir haben auch telefoniert, aber das wurde weniger und weniger. Und das lag an ihr! Sie war irgendwie immer komischer am Telefon … immer keine Zeit. Und wenn ich dann gesagt habe, lass uns heute Abend mal quatschen, in Ruhe, dann sagte sie, nee, geht nicht, hab was vor.«
»Und haben sie sich auch mal getroffen?«
»Ja. Hier in Schmarl. Wo sie doch gar nicht mehr wohnt. Aber sie sagte dann, dass sie für ihre Wohnungsgesellschaft unterwegs ist. Und sie war total kurz angebunden, so wie beim Telefonieren. Mir geht’s gut, hab’s eilig, Termine, Termine. Neulich habe ich sie wiedergesehen, aber da ich keinen Bock auf diese Ausreden hatte, hab ich weggeguckt.«
»Und wo haben Sie Lena getroffen?«
»Es war nicht so oft, vielleicht vier, fünf Mal. Zuletzt vor der Kolumbus-Passage . Und einmal auf dem Weg zum S-Bahnhof Lütten Klein. Sie kam mir entgegen, mit einer Reisetasche über der Schulter. Hatte keine Zeit! Ja, und dann haben wir uns auch auf dem Bahnhof getroffen. Das war irgendwann vor Weihnachten, muss schon zwei Jahre her sein. Sie wollte in die Stadt, ich auch – aber sie hat das irgendwie hingekriegt, dass wir im gleichen Zug, aber in verschiedenen Wagen fuhren. Ich weiß nicht mehr, wie sie das gemacht hat.«
»Sie wollte keinen Kontakt«, sagte Uplegger.
»Nein. Definitiv nicht.«
Barbara hatte ihren Kaffee getrunken, Uplegger hatte nur genippt. Beide hatten sie einen Anstandskeks gegessen, nun verabschiedeten sie sich. Frau Kruse brachte sie zur Tür. Sie hatte sie fast geschlossen, da rief Annalena »Halt, warten Sie noch!« und erschien auf Strümpfen im Treppenhaus. »Da war noch etwas.«
»Was denn?«, wollte Barbara wissen.
»Der Typ, der ihr den Hof gemacht hat, der hatte wirklich etwas mit der Spanisch- und Guatemalagruppe zu tun. Und der verstand auch etwas von Lateinamerika und den Indios … ich meine, von den Eingeborenen, von früher, den Mayas und Azteken oder so … Der hat sich sogar den Namen eines Gottes gegeben, der Pickel hat. So aus Gag.«
»Sie kennen den Namen dieses Gottes sicher nicht?«
»Natürlich nicht.«
»Und der Name des Verehrers? Wenn er Ihnen doch noch einfällt, rufen Sie uns an?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass Sie ihn nie genannt hat«, sagte Annalena nachdenklich. »Aber sein Vater, der war wohl mal in
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