Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
befindet, ist öffentlich. Vergessen Sie es, sich mit Privatangelegenheiten herausreden zu wollen. Wieso hatten Sie einen Schlüssel?«
»Nicht ich, meine Frau.« Aaron Meyer schaffte es wieder nicht, den Kriminalisten in die Augen zu blicken. »Wenn mal was ist, Blumen gießen und diese Dinge … wenn Lena wegfährt in Urlaub …«
»Fuhr Sie denn öfter in den Urlaub?«
Meyer hob die Achseln, ging aber nicht darauf ein.
»Wie sagt man das bloß auf Deutsch? Mit den Rechten? Yeah, nach dem Rechten sehen. Typisch germanisch!«
»Wieso?« Barbara runzelte die Stirn, dann begriff sie. »Sie meinen die Nazizeit? Na, das ist aber ein toller Kalauer. Zu deutsch: misslungen. Oder wollten Sie ausdrücken, dass wir zwar nach dem Rechten gucken, die Rechten aber übersehen?«
»Das führt ja jetzt …«, warf Uplegger ein.
»Sie sagen es. Also, Herr Meyer, nach welchem Rechten wollten Sie denn schauen? In einer versiegelten Wohnung wohlgemerkt.«
»Aber das Siegel war kaputt.«
»Na, und? Das kann ja von frechen Kindern gemacht worden sein. Ich möchte gern wissen, was Sie in der Wohnung zu suchen hatten!«
Meyer schwieg. Barbara raschelte mit Papieren, um Zeit zu gewinnen für eine Überrumpelungsstrategie, die sie sich aber erst ausdenken musste. Uplegger war schneller und versuchte es auf der sogenannten menschlichen Ebene: »Haben Sie Heimweh?«
Aaron atmete sichtbar auf. »Ganz selten. Nach Charlotte, wirklich eine schöne Stadt, und auch nach der Umgebung. Aber ich bin froh, dass sich zwischen meinem Vater und mir ein Ozean erstreckt.«
»Ist er denn ein solches Scheusal?«
»Ist er.« Meyers Körper spannte sich, seine Bewegungen wirkten verkrampft. »Mein Vater ist Soldat. Ich bin in Charlotte geboren und als Student wieder zurückgekehrt, aber aufgewachsen bin ich in Fort Bragg. Dort hat es mein Vater bis zum Lieutenant Colonel gebracht.«
»Was ist das?«, wollte Barbara wissen.
»Oberstleutnant«, erklärte Uplegger. Da Barbara noch die militärischen Dienstgrade der Volkspolizei erlebt hatte und selbst Leutnant gewesen war, wusste sie, dass Oberstleutnant ein ziemlich hohes Tier war.
»Mein Vater hatte eine sehr gute Ausbildung, denn er hatte nicht nur eine Militärakademie besucht, er hatte auch an der Duke University in Providence Psychologie studiert – wissen Sie, warum? Vermutlich können Sie mit SERE-Training nichts anfangen?«
»Nein«, sagte Uplegger, und auch Barbara schüttelte den Kopf.
Meyer wich ihren Blicken nicht mehr aus.
»Survival, Evasion, Resistance, Escape … Überleben, Ausweichen, Widerstand und Flucht. Mein Vater hat das SERE -Programm der Army in Fort Bragg geleitet. Man lehrt die Soldaten, wie sie in Kriegsgefangenschaft bei einem Gegner überleben, der sich nicht an die Genfer Konvention hält. Man bringt ihnen bei, wie sie verschärfte Verhöre und Folterungen überstehen. Das war die Uridee. Mittlerweile ist es aber so, dass man das Foltern lehrt. Mein Vater ist Lehrer für Waterboarding, verstehen Sie?« Er rang verzweifelt die Hände. »Er lehrt Foltertechniken für den War on terror . Guantánamo und Abu Ghraib sind im weitesten Sinne auch seine Babys. Deswegen verteidigt er sie auch so.« Erschöpft sank er in sich zusammen.
Sowohl Uplegger als auch Barbara konnten für einen Moment nichts sagen. Barbara stand auf und öffnete das Fenster. Draußen roch es nach Herbst und Moder, es nieselte nur noch.
Blitzartig wandte sie sich um: »Trotz dieser schrecklichen Geschichte bleibt es dabei: Wir möchten wissen, was Sie aus Lenas Wohnung holen wollten!«
Aaron Meyer beantwortete diese Frage nicht, sooft sie ihm auch gestellt wurde. Eine halbe Stunde später ließ Barbara ihn in den Zentralgewahrsam bringen.
Bis sie ihn in drei Stunden wieder vernehmen würden, gab es genügend anderes zu tun: Uplegger fand zwei neue Listen mit Machetenlieferungen im Eingangskorb, außerdem hatte er das Guatemala-Reisetagebuch von der Webseite des Ost-seegymnasiums auf seine Festplatte kopiert. Barbara studierte Lenas Tagebücher und erwartete die von ihr angeforderten Akten der Vermisstensache Dr. Laube. Draußen rauschte der Regen, dieses perfekte Beruhigungs- und Schlafmittel, und nach einer Weile fielen Barbara die Augen zu. Sie nickte ein, nur für Sekunden, schreckte hoch und schaute schuldbewusst zu ihrem Gegenüber. Der las mit amüsierter Miene etwas auf dem Bildschirm, denn das Ausdrucken von Daten war momentan nur im Sekretariat möglich.
»Sie wirken ja so heiter«,
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