Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
»Ich habe sie mir genauer angesehen. Es war auch Knetgummi darin. Ich habe mir nun die Freiheit genommen, in den unteren Rahmen eine Lage Knetgummi zu drücken.«
    Melcher ließ die Schultern hängen.
    Matzbach nickte befriedigt. »Als Sie hochgeklettert waren, haben Sie sich am Rahmen festgehalten. Ihre Finger waren von dem Hantieren mit Schnee klamm und haben keinen Unterschied zwischen Holz und Knetgummi gefühlt. Gummi hat aber die Eigenschaft, vorzüglich Fingerabdrücke zu speichern. Sie sind gut sichtbar.«
    Er wartete, bis alle sich davon überzeugt hatten. Dann griff er in die rechte Außentasche seiner Jacke. Er holte etwas hervor und hielt es hoch. »Die Magazine für meine gute alte Pistole. Ich habe sie aus der Reisetasche genommen, sobald der Mord entdeckt war, und die Tasche absichtlich offen liegen lassen. Das Magazin, das noch in der Waffe war, enthielt Platzpatronen.« Er steckte die Magazine in die Tasche; es klackte.
    »Nachdem Sie geschossen hatten, sind Sie vom Schneehaufen gesprungen, in den Vorratsraum gelaufen und dann die Treppe heraufgekommen, als hier oben schon wieder Durcheinander war und keiner mehr darauf achtete, wer wo stand. Die Pistole, fürchte ich, liegt irgendwo im Schnee, ja?«
    Melcher nickte schwach. Er sah aus wie ein kleiner Elendshaufen.
    »Haben Sie sich noch umgezogen, da unten?«
    Melcher hob die Augen zu Baltasar. »Nein«, sagte er müde. »Alles mußte doch schnell gehen. Sie haben recht, der Pyjama ist ein bißchen naß vom Schnee. Ich hatte die Hose über die Knie aufgekrempelt, bin aber beim Runterspringen auf dem Hosenboden gelandet. Wollen Sie sehen?«
    An dieser Stelle schlug Jorinde vor, nach unten zu gehen, Feuer zu machen und Kaffee zu kochen. »Jetzt kann ja doch keiner mehr schlafen«, sagte sie.
    Im Kaminzimmer sagte Henry plötzlich: »Warum hast du denn nicht vom Flur aus geschossen, statt draußen durch die Kälte zu krabbeln?«
    Melcher blickte ihn kläglich an. »Wenn jemand sofort reagiert hätte, hätte ich doch noch auf dem Flur gestanden. Außerdem mußte ich die Waffe loswerden.«
    Matzbach nuckelte an seiner Zigarre und starrte in den Kaffeebecher. »Schade«, murmelte er.
    »Was ist schade?« sagte Susanne. Sie saß neben dem Marder und starrte immer wieder mit Kopfschütteln Arthur Melcher an.
    »Schade, daß die Zahlenmystik stimmt, obwohl es natürlich Unsinn ist. Die Zwei steht nicht nur für Das Böse. Auch für schwache, führungsbedürftige Leute, deren Seelen irgendwo etwas Finsteres verbergen, das einmal ausbrechen kann. Mit Planung und Ausführung des scheußlichen Mordes haben Sie ein gewisses Niveau verraten, Meister, abgesehen von diesem dummen Fehler mit Ihrer Körpergröße. Aber jetzt, wie Sie da so in den Seilen hängen, ist keinerlei Niveau mehr zu bemerken. Schade.«
    Jorinde seufzte. »Du bist nicht sehr charmant.«
    »Seit wann duzt ihr euch?« sagte Evita. Dann lächelte sie.
    »Muß man zu Mördern charmant sein?« Baltasar hob eine Braue. »Ich denke nicht daran. Übrigens bin ich sicher, daß Ihr Motiv nicht so schön ist wie der Mord, sondern ebenso kläglich wie Ihr jetziges Benehmen. Schuster hat Sie erpreßt, nicht wahr?«
    Melcher nickte. Mit halblauter Stimme erzählte er seine schäbige Geschichte. Nach einigen Jahren des Erfolgs waren die Umsätze, die er mit seinen Auftragsversen erzielte, zurückgegangen, so daß er sich nach anderen Einkünften umschauen mußte. Zwangsläufig führten seine Erfahrungen und seine Formuliergewandtheit ihn zur Werbung, zum Werbetext. »Ich hatte ja genug hochmögende Leute kennengelernt. Ich habe für eine Agentur gearbeitet und meine alten Beziehungen benutzt, um neue Kunden zu bringen. Dann hat die Agentur einen dicken Fisch an Land gezogen – einen alten Autokraten mit viel Geld, Ländereien und einer eigenen Hotelgruppe. Er wollte noch ein paar Häuser dazustellen, unter anderem einen oder zwei Ferienparks in schöner Lage, und die Agentur sollte exklusiv die ganze Werbung für ihn machen. Natürlich mußte ich mit, als bester Texter. Wir sind ein paarmal bei ihm gewesen, auf seinem Château, und er war zwei- oder dreimal in der Agentur.«
    Baltasar nickte. »Ich denke mir was.«
    Henry warf ihm einen bösen Blick zu. »Halt doch die Klappe. Weiter. Was dann?«
    Melcher schniefte, putzte sich die Nase und fuhr fort. »Der alte Gentleman ist wie gesagt steinreich, außerdem stockkatholisch und weigert sich, selbst zu fahren. Als er zu uns in die Agentur kam, brachte er

Weitere Kostenlose Bücher