Mörderisch verliebt: Roman (German Edition)
voreilig eine Meinung zu bilden.
Heute versuche ich, toleranter zu sein.
»Diät zu halten ist wichtig«, erklärte Mr. Lepinski. In seiner Stimme schwang Missbilligung mit. »Man ist, was man isst. Haben Sie das etwa noch nicht gewusst?«
Ich nickte. Doch, hatte ich. Aber bisher sah ich noch nicht wie eine mit Karamell überzogene Erdnuss aus.
»Ich habe über die Atkins-Diät nachgedacht«, sagte er.
Ich muss zugeben, ich war überrascht. Mir war zwar klar, dass die Atkins-Diät gerade der letzte Schrei war, aber Mr. Lepinski war nur unwesentlich breiter als meine Milz.
»Nicht, um Gewicht zu verlieren«, fuhr er erklärend fort. »Um in Form zu kommen!« Er hob sein dünnes Ärmchen und spannte seine Muskeln an, wenn denn welche da waren. »Viele Proteine, Sie wissen schon.« Sein Blick schoss zur Tür und wieder zurück. »Meinen Sie, ich wäre attraktiver, wenn ich Muskeln hätte?«
Der Gedanke, »Mr. Lepinski« und »Muskeln« in einem Satz zu nennen, ließ mein Gehirn im Schädel rotieren, aber ich hielt an meinem Pokerface fest. »Haben Sie das Gefühl, attraktiver sein zu müssen, Mr. Lepinski?«
»Na ja …« Er zuckte die Achseln und machte ein Gesicht, als müsse er sich verteidigen. Manche Leute denken so über eine Veränderung des Ichs. Ich denke, es liegt daran, dass uns von Kindesbeinen an eingetrichtert wird, jeder Einzelne von uns sei etwas ganz Besonderes und sollte daher bloß nichts verändern. Was meiner Meinung nach völliger Quatsch ist. Die meisten von uns sind so verdreht wie Korkenzieher, und jede Art, das eigene Ich zu verändern, wäre auf jeden Fall einen Versuch wert.
Mal abgesehen von der Tatsache, dass Mr. Lepinski mich oft bis aufs Blut reizte, war ich fest davon überzeugt, dass er eigentlich ein netter Kerl war.
»Nein. Ach, ich weiß nicht«, antwortete er. Er hielt kurz inne und machte ein besorgtes Gesicht. »Es könnte vielleicht nicht schaden, nehme ich an.«
In seiner Stimme schwang etwas mit – Sehnsucht möglicherweise -, das mich neugierig machte. Ich legte den Kopf auf die Seite und bohrte vorsichtig nach. »Was sagt Ihre Frau zu Ihrem plötzlichen Interesse an körperlicher Fitness?«
»Sheila?«
Ich nickte. Er sah nicht gerade wie ein Polygamist aus, deswegen kam seine Frage etwas hochmütig daher, aber ich schaffte es, meine Gedanken für mich zu behalten.
Sein Blick wanderte wieder zur Tür und zurück. Zur Tür und wieder zurück. Ich wartete. Er rutschte unruhig auf seinem Platz herum, wobei er die Knie fest aneinander gepresst hielt und die braunen Lederschuhe in martialischer Präzision nebeneinanderstellte. Seine Hände waren auf den dünnen Oberschenkeln so fest gefaltet, dass die knubbeligen Fingerknöchel weiß hervortraten.
Ich wartete weiter.
»Ich glaube, sie hat eine Affäre«, krächzte er schließlich.
Ich fühlte mich vollkommen leer und geschlaucht, nachdem er meine Praxis verlassen hatte. Leer, geschlaucht und nutzlos. Seine Frau betrog den armen Kerl, und alles, was mir dazu einfiel, war ein simples »Wie fühlen Sie sich dabei?«
Ich ließ mich in meinen Schreibtischstuhl fallen. Die letzten Wochen waren wirklich die Hölle gewesen. Erst verschwand Solberg, dann wurde ich von Schlägertypen angegriffen, dann kam auch noch Rivera. Im Vergleich zu ihm würde ich fast noch die Schlägertypen vorziehen.
Die hatten wenigstens nicht daran gezweifelt, dass ich ein Date gehabt hatte. Zumindest hatten sie mich nicht dazu gebracht, völlig schwachsinnige Dinge wie: »Er ist größer als du« von mir zu geben. Oder: »In ein paar Jahren wird er wahrscheinlich sogar mehr verdienen als Solberg. «
Meine Grübelei fand ein jähes Ende. O Gott! Ich hatte Solberg und Ross in einem Satz erwähnt. Was, wenn Rivera eins und eins zusammenzählte? Was, wenn er bei NeoTech anrufen und herausfinden würde, dass Ross dort arbeitete? Ich Riesentrottel!
Mit zittrigen Händen wählte ich die Nummer von NeoTech. Jemand, der ziemlich stark näselte, stellte mich unverzüglich zu Ross durch.
»Bennet.«
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals in der Größe einer Schaumburger Kakerlake runter. »Ross?«
»Ja?«
»Hier ist …« Ich atmete tief ein. »Hier ist … ähm …« Jetzt war kein besonders günstiger Augenblick, den eigenen Namen zu vergessen!
»Chris!« Seine Stimme klang erfreut. »Hi. Wie geht es Ihnen?«
»Gut. Mir geht’s … ähm … gut.« Ich hatte das Telefonkabel im Würgegriff.
»Und Ihrer Freundin? Elaine war ihr Name, nicht
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