Mörderische Kaiser Route
sich.
Die Typen waren unterschiedlicher, wie sie nur sein konnten. Einem strahlenden Jüngling mit schulterlangen, schwarzen Haaren, dauergebräunter Lederhaut, weit geöffnetem Hemd, aus dem das üppige, dunkle Brusthaar quoll und den schon unvermeidlichen Goldkettchen um Hals und Handgelenk, folgte ein schmuddeliger, etwa gleichaltriger Mann mit einer ausgewaschenen blauen Jeans, einem dreckigen, grünen Polohemd über dem dicken Bauch und zotteligen, braunen Haaren.
Ohne seiner Umgebung die angemessene Aufmerksamkeit zu schenken, stolzierte der selbstherrliche Gockel durch den Raum, während sich sein ungepflegter Begleiter nervös umschaute. Nur kurz trafen sich unsere Blicke, was mich für einen Moment stutzen ließ. Dann wischte ich den ersten Eindruck beiseite und flüsterte Dieter zu: „Das Goldkettchen und der Zottelbär, die passen haargenau in ein Klischee: die sehen aus wie ein Zuhälter und sein Kofferträger.“
„Du hast Sorgen“, antwortete mein Freund gelangweilt. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, sich meiner
Beobachtung zu vergewissern. „Meinst du etwa, du siehst besser aus?“
Nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr stand Dieter auf. „Wir müssen weiter“, sagte er und fügte überflüssigerweise hinzu: „Du bezahlst.“
Meine Verärgerung über diesen Befehl verzog sich sofort, als eine hübsche, junge Bedienung mit einem strahlenden Lächeln an den Tisch trat, um zu kassieren.
Leider, so bedauerte ich mit meinem charmantesten Gesichtsausdruck, sei es mir nicht möglich, länger in diesem schönen Städtchen und in ihrer Nähe zu bleiben. Mein Chef dränge zum Aufbruch. Ob sie schon einmal etwas von der Kaiser-Route gehört habe, fragte ich das schöne Wesen, als ich ihr einen Geldschein gab.
„Mein Chef will mit dem Fahrrad die Strecke abfahren, die sein Kaiser zu Pferde vor mehr als tausend Jahren in umgekehrter Richtung zurückgelegt hat.“
Das aufmunternde Lächeln der Bedienung endete auf der Stelle, als ich den kompletten Restbetrag einsteckte und dabei ernsthaft versicherte, ich brauche das Geld fürs Spielkasino in Dortmund. Kommentarlos wandte sich die junge Frau schnell von mir ab und dem winkenden Zuhälter zu.
Fast immer mit Blick auf die Ruhr, die mich allein schon wegen des Namens heimatliche Nähe spüren ließ, radelten Dieter und ich über Dellwig und Altendorf weiter. Meistens schweigend nebeneinander spulten wir unsere Kilometer ab.
Wir waren schon mehr als hundert Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt und wollten, so hatten wir es in einem unserer seltenen Wortwechsel ausgemacht, heute so weit wie möglich vorwärts kommen.
Selbst das Glücksspiel konnte uns nicht reizen. Warum sollten wir auch im Spielkasino Hohensyburg unser Glück versuchen, wenn wir es schon in unserem Aachener nicht machten?
Am Zusammenfluss von Ruhr und Lenne hatte auf einem Berg eine Burg gelegen. Fast auf der Grenze des Gebiets zwischen Franken und Sachsen hatten die Sachsen das Bollwerk errichtet, aber keinerlei Chancen gehabt, als Karl der Große 775 Ernst machte und die Burg einnahm.
Viel war von dem damals wohl gewaltigen Bau nicht mehr übrig geblieben, wie Dieter und ich feststellten, nachdem wir den Berg hinaufgekeucht waren. Die später errichteten Bauten der Hohensyburg nahmen sich ziemlich bescheiden dagegen aus und das Kasino zwischen ehemaliger Vor- und Hauptburg war auch nicht dazu angetan, den Glanz alter Ritterburgen aufkommen zu lassen. Ich empfand die Hohensyburg als ziemliche Enttäuschung.
„Das einzig Positive daran ist, dass wir wieder auf heimischem Boden sind“, tröstete ich Dieter, der mich nicht verstand. „Hier hat das Reich deines Urahns Karl einmal geendet, bevor er auf die Idee kam, seinen Einflussbereich in östlicher Richtung auszudehnen“, klärte ich meinen unwissenden Freund auf. Ich deutete auf die schmale Straße bergab. „Jetzt können wir es bis ins Ruhrtal sausen lassen“, frohlockte ich und wich einem Auto aus, das relativ schnell den Berg hinaufgeschossen kam.
Ich verfluchte die getönte Windschutzscheibe, hinter der sich der Fahrer so gut verstecken konnte, ich hätte ihm sonst ins Gesicht geschrien, dass er ein Blödmann sei. So grollte ich nur und tippte mit dem Finger gegen die Stirn. Es machte die Sache nicht besser, dass der Schumacherverschnitt seinen dreckigen Sportwagen mit einem Paderborner Nummernschild verziert hatte.
„Fahr endlich los“, brummte Dieter, „es ist ja nichts passiert.“ Kräftig trat ich
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