Mörderische Tage
wechselte er das Thema.
Julia Durant nickte.
»Dein Nicken werte ich als Zustimmung. Ist dein Leben mehr wert?«
»Das habe ich nicht gesagt«, verteidigte sich Durant.
»Es bedarf nicht immer großer Worte, um etwas auszudrücken. Wenn du mir plausibel erklären kannst, warum dein Leben mehr wert ist als das von Karin und Pauline, lasse ich dich unverzüglich frei.«
»Es gibt kein Leben, das wertvoller ist als das eines anderen Menschen«, entgegnete Durant nach kurzem Überlegen.
»Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte. Du wirst wohl noch eine ganze Weile mein Gast bleiben müssen, und ich bin sicher, wir werden noch viel Gelegenheit haben, uns auszutauschen. Ja, es ist tragisch, aber wie ich vorhin schon erwähnte, manche sind dazu bestimmt zu leben, andere zu sterben. Versprechen kann ich gar nichts, aber ich werde es überdenken. Nun, ich denke, der Worte sind genug gewechselt, ich will Taten sehen. Bei meinem nächsten Besuch erwarte ich viele beschriebene Seiten. Sehr viele beschriebene Seiten. Es geht um dein Leben, halte dir das stets vor Augen.«
Er ließ die Tür ins Schloss fallen und drehte den Schlüssel. Julia Durant war wieder allein mit sich und der Stille. Sie aß zwei Scheiben Brot und trank von der Cola. Ein kaum merkliches Stück von der Angst war gewichen, aber wie lange? Was, wenn er in ein paar Stunden oder Tagen reinkommt und mich umbringt? Lieber Gott, bitte lass nicht zu, dass mir und den andern Frauen hier etwas passiert. Es kann doch nicht in deinem Sinn sein, dass ein Wahnsinniger Menschen aus purer Lust am Morden umbringt. Du weißt, ich kann nicht laut beten, er würde mich hören. Aber Vater hat immer gesagt, du hörst auch die Gebete, die in Gedanken gesprochen werden. Sei bitte bei uns allen und hilf meinen Kollegen, mich zu finden. Weise ihnen den Weg, damit dieses grausame Spiel ein Ende hat. Lieber Gott, unser Leben liegt in deiner Hand und nicht in seiner. Du kannst es machen, dass wir hier rauskommen, denn du bist größer und mächtiger als alle Menschen zusammen. Lass uns nicht allein, nur darum bitte ich dich. Amen.
Samstag, 15.28 Uhr
Frank Hellmer hielt um kurz vor halb vier vor Julia Durants Haus. Er stieg aus, klingelte und wartete. Als sich nichts rührte, drehte er den Kopf zur Seite, sah ihren Wagen auf dem für sie reservierten Parkplatz stehen und unternahm einen zweiten Versuch, bei dem er den Daumen länger auf der Klingel ließ und fester drückte. Auch diesmal meldete sich seine Kollegin weder durch die Sprechanlage, noch wurde der Türöffner betätigt.
Hellmer runzelte die Stirn und fragte sich, ob sie vielleicht gerade im Bad war. Er wartete, klingelte ein drittes Mal, nichts. Er kaute auf der Unterlippe, zog sein Handy aus der Hemdtasche, wählte ihre Festnetznummer, doch er hörte nur Durants Stimme auf dem Anrufbeantworter. Danach versuchte er es auf ihrem Handy, die Mailbox sprang nach dem zehnten Läuten an. »Julia Durant, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
Seltsam, dachte er und klingelte bei einem anderen Hausbewohner.
»Ja, bitte?« Eine weibliche Stimme kam aus dem Lautsprecher.
»Hellmer, Kripo Frankfurt. Frau Stauffer, würden Sie mir bitte aufmachen, ich hatte mich mit Frau Durant verabredet …«
»Ich komme runter.«
Miranda Stauffer blieb vor der verschlossenen Haustür stehen und ließ sich Hellmers Dienstausweis zeigen. Erst danach öffnete sie.
»Tut mir leid, aber man hat mir gesagt, ich soll in dieser Stadt vorsichtig sein. Sie wollen zu Frau Durant?«
»Ja, ich bin hier, um sie abzuholen. Kennen Sie sich?«
»Flüchtig. Wir haben uns gestern Abend kurz auf der Treppe unterhalten.«
Hellmer ging nach oben, Miranda Stauffer folgte ihm. Er klopfte kräftig gegen die Tür, doch drinnen rührte sich nichts. Er hielt sein Ohr an die Tür und hörte leise Stimmen, es klang jedoch, als kämen sie aus dem Radio oder dem Fernseher. »Worüber haben Sie sich unterhalten, wenn ich fragen darf?«
»Belanglosigkeiten. Ich wohne erst seit ein paar Wochen hier, und sie hat sich vorgestellt und mich zum Kaffee eingeladen.«
»Sie haben gestern mit ihr Kaffee getrunken?«
»Nein, irgendwann wollten wir das machen. Was ist denn
los?«, fragte sie mit besorgter Miene.
»Keine Ahnung«, sagte Hellmer und wählte die Nummer von Doris Seidel. »Frank hier. Doris, kannst du bitte ganz schnell zu Julia kommen, du hast doch einen Schlüssel für ihre Wohnung?«
»Natürlich, aber warum?«
»Schwing dich ins Auto
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