Mörderische Tage
wir, vielleicht zwanzig oder dreißig Leute wussten davon, unter anderem auch Hüsken. Den Zeitpunkt ihrer Entführung hatte er akribisch geplant, er hat nur nicht damit gerechnet, dass ich mit ihr ausgemacht hatte, sie zum Flughafen zu bringen. Aber das ist unwesentlich, denn spätestens dann, wenn Julia nicht in Nizza gelandet wäre, hätte sich Susanne mit uns in Verbindung gesetzt, da sie Julia nicht erreichen hätte können.
Er ist eine Mischung aus organisiertem und unorganisiertem Serientäter.
Er ist weit überdurchschnittlich intelligent und kennt die Spielregeln der Polizei, und er scheint Zugang zu den Datenbanken der Polizei zu haben.
Er tritt sicher und gewandt auf.
Er kann vermutlich sehr charmant sein.
Besonders ihm würde man als Letztem solche Verbrechen zutrauen oder gar unterstellen, da er die Monster jagt, von denen er selbst eins ist.
Er ist über jeden Zweifel erhaben.
Er ist eloquent.
Er dürfte ein sehr versierter Schachspieler sein.
Aber wir wissen nichts über sein Privatleben.«
Hellmer sah Kaufmann an, die die von Hellmer angeführten Punkte schnell zu Papier gebracht hatte und sich jetzt zurücklehnte und die Lippen schürzte.
»Einer von uns«, sagte sie trocken und ohne eine Miene zu verziehen.
»Nein, keiner von uns, dafür leg ich meine Hand ins Feuer. Aber Julia hat schon am Mittwoch deutlich gemacht, dass es sich um einen Insider handeln muss. Auch Holzer hat das bestätigt. Sie hat den Weg bereitet, aber keiner von uns war bereit, ihn zu gehen. Und jetzt wurde sie von der Jägerin zum erlegten Wild! Scheißspiel! Wen könnte ich meinen?«
»Holzer, er ist der Einzige, der mir einfällt. Fast alle Kriterien treffen auf ihn zu.«
Hellmer nickte. »Das bleibt unter uns, bis wir entweder wissen, dass wir uns getäuscht haben, oder er tatsächlich unser gesuchter Mann ist. Ich will alles über sein Privatleben wissen, von seiner Geburt bis jetzt. Es muss absolut lückenlos sein …«
»Aber warum sollte ausgerechnet ein angesehener Profiler wie Holzer diese Greueltaten begehen?«
»Das ist es doch, was Lara gemeint hat – wir sollen an das Unmögliche zuerst denken. Noch als wir bei ihr waren, ist mir Holzer eingefallen. Das war wie so ein Flash in meinem Kopf. Alles ergab auf einmal einen Sinn.«
»Okay, ich stimme dir zu, der Gedanke ist so abwegig, dass tatsächlich etwas dran sein könnte.«
»Jetzt frag ich mich nur, wie wir am späten Sonntagnachmittag an diese Infos kommen sollen«, sagte Hellmer und rieb sich die Stirn.
»Das sollte das geringste Problem sein. Ich hoffe nur, der Typ ist nicht gerade wieder im Ausland.« Sabine Kaufmann griff zum Telefon und sagte: »Hier Sabine. Ich brauch dringend deine Hilfe, könntest du herkommen? … Nein, nicht nach Wiesbaden, zu uns ins Präsidium … Morgen könnte schon zu spät sein. Bitte, wir brauchen deine Hilfe … Frank Hellmer ist noch bei mir … Ihr kennt euch? Na, super … Hey, du kennst mich, ich würde dich nicht bitten, wenn es nicht um Leben und Tod ginge … Alles klar, ich bin beim K11, du weißt ja, wo das ist. Bring aber ein bisschen Zeit mit … Ja, ja, du hast was gut bei mir. Und jetzt beeil dich bitte.« Sie legte auf und sah Hellmer ernst an. »Gleich trabt einer an, der mir noch was schuldet. Er kennt dich, und du kennst ihn.«
»Aha, und wer ist es?«
»Vukovic. Hat bis vor zwei Jahren hier …«
»Klar kenn ich den. Wir haben vor vier Jahren einen spektakulären Fall gelöst, wenn man es lösen nennen darf. Ich weiß nur, dass er nicht mehr hier ist. Was macht er jetzt?«
»BKA.«
»Und wieso hat er was gut bei dir, wenn er dir was schuldet?«
»Komplizierte Geschichte, erzähl ich dir ein andermal. Aber wenn er uns heute nicht weiterhelfen kann, dann keiner.«
»Vukovic ist beim BKA gelandet. Ich hätte schwören können, den zerreißt irgendwann mal 'ne Bombe.«
»Wär auch beinahe passiert, als er letztes Jahr in Kolumbien war. Der kennt alle und jeden und kann sich überall einhacken, wenn's sein muss auch bei al-Qaida.« Sie ging zum Fenster und sah hinunter auf die Eschersheimer Landstraße, auf die vielen Autos, die wechselnden Lichter der Ampeln. »Du hältst das wirklich für möglich?«
»Ja, und sollte ich recht behalten, wird Julia bald frei sein.«
»Denk nicht nur an Julia, es gibt auch noch andere Frauen.«
»Himmel, ja. Wann wird Vukovic hier sein?«
»Viertelstunde. Willst du auch einen Kaffee?«
»Hm.«
Um 18.54 Uhr klopfte Vukovic an die Tür und trat nach
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