Mörderische Tage
wohl keine Rede sein. Er hat nach meinem Dafürhalten seine kriminelle Karriere sehr früh begonnen. Ich gehe davon aus, er war zeitlebens ein Außenseiter, weil er einer sein wollte. Er ist ein Einzelkind, aller Wahrscheinlichkeit nach wurde er von vorne bis hinten verhätschelt, und keiner hat bemerkt, wie er sich von Jahr zu Jahr mehr abgegrenzt hat, so wie er es auch uns gegenüber tut. Ich frag mich nur, warum die beim BKA nicht stutzig geworden sind.«
»Frank«, sagte Vukovic und lachte auf, »glaubst du allen Ernstes, man würde einen Superprofiler wie Holzer, der eine Superausbildung in den USA genossen hat, daraufhin überprüfen, ob er ein Schwerbrecher ist oder sein könnte? Die werfen kaum einen Blick auf den Lebenslauf, höchstens auf die Ausbildung und die berufliche Laufbahn, so wurde das bei mir gemacht, und so machen sie's auch bei allen anderen. Hauptsache, sie bekommen gute Bullen. Nicht einer hat mich auf meine Vergangenheit im Balkankrieg angesprochen, keiner wollte irgendwas von meiner Freundin wissen, die umgebracht wurde. So what, sagen die nur.«
Vukovic stand auf, streckte sich und klopfte mit den Knöcheln auf die Schreibtischplatte. »Ich verzieh mich, ihr braucht mich ja wohl nicht mehr. Passt bloß auf, wie ihr es angeht, denn ein falscher Schritt, und ihr fallt ganz, ganz tief. Holzer zerbröselt euch in eure Bestandteile. Viel Glück.«
»Danke. Wir gehen in die Offensive und fahren zu ihm. Seine Frau weiß mit Sicherheit nichts von seinem perversen Doppelleben, Typen wie er handeln grundsätzlich allein, weil sie es so gewohnt sind. Sie wird aus allen Wolken fallen, wenn sie erfährt, was ihr Göttergatte so alles treibt.«
»Wie ihr es anstellt, das ist euer Ding. Ich war heute nicht hier, wir haben uns seit vier Jahren nicht gesehen und damit basta.«
»Wir müssen offensiv werden, für langes Observieren und Diplomatie fehlt uns die Zeit.«
»Aber lass wenigstens Sabine da raus, sie hat noch ihre Karriere vor sich. Bis dann und melde dich, solltest du Erfolg haben.«
Vukovic verließ das Büro, Hellmer wartete, bis er die Tür geschlossen hatte, und sagte: »Er hat recht, ab sofort zieh ich das allein durch. Danke, dass du mir bis hierhin geholfen hast, von nun an geht es nur noch um meinen Kopf.«
»Das hast du dir so gedacht. Ich hab dich bis hierher begleitet, ich tu's auch weiter, und du kannst mich nicht daran hindern, ich bin schließlich deine Partnerin und muss auf dich aufpassen. Wir begeben uns beide in die Höhle des Löwen, so haben wir ihn besser unter Kontrolle.«
»Das kann ich nicht zulassen. Pass auf, ich bin dir dankbar für alles, was du …«
»Halt die Klappe und komm, wir haben keine Zeit. Und du kannst reden, so viel du willst, ich komm mit und dabei bleibt's. Los, schwing deinen Hintern hoch.«
»Du begehst einen Fehler«, sagte Hellmer im Hinausgehen, »du …«
»Willst du Julia und die andern Frauen retten oder nicht?«
»Natürlich, aber …«
»Und du willst das in Rambo-Manier machen, nur, das wird dir nicht gelingen, weil du viel zu geladen bist. Wenn Holzer unser Mann ist, musst du geschickt vorgehen, er muss in die Falle tappen, ohne zu merken, dass er bereits drin ist, wenn sie zuschnappt. Kapiert?«
Er spürte und wusste, dass sie recht hatte. Diesmal durfte er nicht den Fehler begehen, wie bei Julia ständig die Dinge in Frage zu stellen, denn diesmal ging es um Julias Leben. Er hatte viel gutzumachen bei ihr, und er würde alles tun, um ihr in Zukunft ein guter Partner zu sein. Zuerst galt es, sie zu finden. Lebend.
Als sie an der ersten Kreuzung standen, sagte er: »Danke.«
»Wofür?«
»Dass du mich runtergeholt hast. Und dass du mitkommst.«
»Da nich für. Grüner wird's nicht.«
Hellmer grinste und gab Gas, raste über die Schnellstraße zur Autobahn, wobei er die Geschwindigkeit um mehr als die Hälfte überschritt. Bei Eschborn bog er ab, dann ging es Richtung Kronberg und schließlich über eine Landstraße ein paar hundert Meter durch ein kaum befahrenes Gebiet.
»Wo sind wir hier?«, fragte Kaufmann stirnrunzelnd.
»Das ist ja mitten in der Pampa.«
»Sein Rückzugsgebiet.«
Hellmer lenkte den Porsche in eine schmale, asphaltierte Straße, die zu einem hinter hohen Bäumen und Büschen versteckten Haus führte. »Mächtiger Schuppen«, sagte er, stoppte, stellte den Motor aus, griff nach Sabines Hand und drückte sie leicht.
»Bringen wir's hinter uns. Entweder hopp oder topp. Entweder Suspendierung oder
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