Mörderischer Auftritt
vertiefte mich in die Weihnachtsabenteuer der Romanhelden. Aber selbst diese konnten mich nicht von den Geschehnissen des Tages ablenken. Larry Ludmiller, verkrümmt und blutverschmiert, stand unablässig zwischen mir und den Seiten. Sicher war er jetzt aus dem Operationssaal heraus oder sie wussten zumindest irgendetwas.Schließlich nahm ich das Telefonbuch zur Hand, schlug das Uniklinikum nach und bekam die Nummer des Wartezimmers auf der Intensivstation von der Vermittlung, indem ich vorgab, dass dort ein Familienmitglied von mir in Behandlung sei. Nun, total gelogen war das ja nicht.
Ich wählte die Nummer in der Hoffnung, dort niemanden aufzuwecken. Eine Frau nahm ab, und ich fragte, ob Virgil Stuckey da sei. Als er an den Apparat kam, entschuldigte ich mich dafür, dass ich mitten in der Nacht anrief, erzählte ihm dann aber, dass ich nicht schlafen konnte, weil ich mir Sorgen machte um Larry.
»Er wird noch immer operiert, Patricia Anne«, sagte er. »Sie wissen einfach noch nichts.« Es war lange still, bevor er sagte: »Sie haben Tammy Sue ein Beruhigungsmittel gegeben. Sie döst jetzt ein wenig.«
»Ich hoffe, ich habe sie nicht aufgeweckt.«
»Nein, alles in Ordnung. Ich weiß deinen Anruf zu schätzen. Mary Alice hat sich auch schon ein paarmal erkundigt.«
Schwesterherz hatte also auch Schlafprobleme.
Virgils Stimme zitterte, als er sagte: »Schließ uns in deine Gebete ein, Patricia Anne.«
Ich versprach, dass ich das tun würde, und es war mir ernst damit. Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich zurück ins Bett und flüsterte dem Rücken von Fred zu, dass ich ihn liebte und dass ich mich nur bemüht hätte, ihn nicht zu beunruhigen. Endlich schlief ich ein.
Fred war schon weg, als ich aufwachte. Trotz des wenigen Schlafes stellte ich fest, dass ich mich gut fühlte. Das Antibiotikum hatte angeschlagen. Ich öffnete die Fensterläden und blickte nach draußen. Es war ein perfekter Frühlingstag, und das Sonnenlicht lag schimmernd auf den vom nächtlichen Nieselregen feuchten Blättern.
Ich wählte die Telefonnummer von Schwesterherz, und sie nahm nach dem ersten Läuten ab. Larry hatte die Operation überstanden. Virgil war gerade gekommen und trank einen Kaffee. Tammy Sue wollte das Krankenhaus nicht verlassen.
»Und die Prognose?«, fragte ich
»Nach wie vor fraglich. Aber wenigstens hat er die OP überlebt. Warte einen Moment.« Ich konnte eine männliche Stimme hören. »Virgil dankt dir dafür, dass du gestern Nacht angerufen hast.«
»Sag ihm, dass das gern geschehen ist. Sollte eine von uns sich um Tammy Sue kümmern?«
»Olivia ist dort. Du weißt, Larrys Schwester. Und Buddy – Virgil junior.«
»Okay. Ruf mich an, wenn du mich brauchst. Ich denke, ich muss noch ein wenig hierbleiben wegen Timmy Hawkins.«
Ich holte mir eine Tasse Kaffee und checkte meine E-Mails in der Hoffnung, etwas von Haley zu hören. Ich hatte drei Nachrichten. Eine sagte SEX SEX SEX, eine andere fragte, ob ich an Heimarbeit interessiert sei, und die dritte war von Amerikas bester Fernseh-Hausfrau Martha Stuart. Die Liebe Patricia Anne war nicht interessiert an den Riesen-Ausstechförmchen im heutigen Angebot. Stattdessen tippte ich Haleys E-Mail-Adresse ein, um ihr zu erzählen, dass es keine Neuigkeiten gebe und es uns gut gehe. Sie war in Warschau und schwanger. Was hätte sie angesichts unserer jüngsten Eskapaden anderes tun können, als sich Sorgen zu machen? Ich hatte den Computer abgeschaltet, bevor mir einfiel, dass womöglich weder Marilyn noch Debbie ihr die Nachricht von Marilyns Hochzeit gemailt hatten. Vielleicht würden wir sie, wenn Fred wieder zu Hause wäre, anrufen.
Ich wartete eine Stunde lang auf Timmys Anruf. Nichts.Und draußen war ein wundervoller Tag. Schließlich nahm ich Woofers Leine und verließ das Haus für einen Spaziergang. Schwesterherz hatte ihm im Grunde alles mitgeteilt, was ich ihm am Vorabend hätte erzählen können. Ich hatte ja keinen Beweis, dass Day die Schuldige war. Er konnte eine Nachricht hinterlassen.
Es tat so gut, sich besser zu fühlen, so gut, die Frische des Morgens nach einem Regen zu spüren. Woofer ging es genauso. Er jagte von einem Baum zum nächsten und bellte wie wild ein Eichhörnchen an. Wir gingen den gesamten Weg zum Homewood Park, wo ich mich auf eine Bank in die Sonne setzte, während Woofer neben mir auf dem Boden lag und den wenigen Leuten zuwedelte, die Kinderwagen schiebend oder joggend vorbeikamen und alle »Guten Morgen«
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