Mörderischer Blues
spanischen Galeone zu. Fünf Minuten später befand
ich mich unter ihrem Heck. So ein dutzendmal mußte ich rufen, bis der
Eigentümer des Kastens in Erscheinung trat und sein Gesicht mit unverhohlenem
Erstaunen über die Reling auf mich herabsah.
»Oh, Mr. Boyd!« gurgelte
Valdez. »Sie gehen um diese Zeit noch schwimmen?«
»Die Wassertemperatur ist gut«,
rief ich zurück. »Würden Sie mir vielleicht ein Seil zuwerfen? Oder wollen Sie
so lange an der Reling stehen, bis ich ertrunken bin?«
Eine Viertelstunde später saß
ich in der gemütlichen Kajüte, trug trockene Kleider, die Valdez mir geliehen
hatte, rauchte eine Zigarette und trank den heißen, schwarzen Kaffee, den er
mir gebraut hatte.
»Wenn Sie mir noch eine hübsche
Blondine servieren, dann weiß ich genau, daß ich mich im Walhalla der
Privatdetektive befinde, und werde vielleicht für immer hierbleiben«, erzählte
ich ihm.
»Sind Sie sicher, daß Sie sich
wieder in Ordnung fühlen, Mr. Boyd?« fragte er ängstlich.
»Großartig«, antwortete ich.
»Wenn man von den paar Beulen absieht, die ich hier und da habe.«
»Es ist einfach unglaublich,
daß so etwas direkt unter unseren Augen passiert«, sagte er aufgebracht.
»Sicher werden Sie die Polizei verständigen wollen, damit die Burschen
verhaftet werden. Ich habe Telefonverbindung zum Ufer. Der Apparat steht neben
Ihnen.«
»Danke«, sagte ich und nahm den
Hörer ab. »Die Nacht ist noch jung, nicht wahr?«
»Zehn Uhr dreißig«, antwortete
er nach einem Blick auf seine Uhr. »Für mich ist das schon spät.«
Ich rief das Police
Headquarters an und fand heraus, daß Harding noch vorhanden war. Er meldete
sich Sekunden später mit einer unpersönlichen, müden Stimme.
Ich erzählte ihm mit kurzen
Worten, was mir passiert war, seitdem Fleischklops heute
abend mir seinen Revolver ins Kreuz gedrückt hatte bis zu dem Zeitpunkt,
da Valdez mich aus dem Hafenbecken fischte. Eine Weile war er still, als ich
geendet hatte, dann explodierte er plötzlich.
»Entweder sind Sie verrückt
geworden oder besoffen, Boyd!«
»Es ist wahr«, versicherte ich
ihm. »Wollen Sie wetten, daß mein Abschiedsbrief etwa nicht bis zum Morgen in
meiner Kabine liegt?«
»Es ist phantastisch«, sagte
er. »Ich werde das nachprüfen. Aber schließlich ist dieser ganze Fall
phantastisch, von allem Anfang an, und deshalb wundert mich schon gar nichts
mehr.«
»Und was halten Sie von Barons
Story, daß Woolrich unwissentlich die Versicherungspolice Bailey übereignet
hat, zusammen mit dem Rest seiner Habseligkeiten?«
»Es ist durchaus möglich«,
antwortete er. »Auch das werde ich nachprüfen.«
»Wenn es stimmt, dann muß
Bailey großes Interesse daran gehabt haben, Baron dazu zu überreden, daß er mir
den Schwarzen Peter zuschiebt, mir und Edward Woolrich«, sagte ich bedächtig.
»Und da Bailey sich im Besitz
der Police befindet, hatte er auch das stichhaltigste Mordmotiv«, stimmte mir
Harding zu.
»Und wenn er Ellen Fitzroy umgebracht hat, dann hatte er ja auch allen Grund,
diesen Mord einem anderen anzuhängen. Was halten Sie davon, Leutnant?«
»Es hört sich gut an«,
erwiderte Harding. »Aber es gibt eine Kleinigkeit, die dabei stört. Bailey kann
Ellen Fitzroy nicht ermordet haben, weil er für die
Tatzeit ein hieb- und stichfestes Alibi besitzt.«
»Moment, Leutnant«, fuhr ich
auf. »Ich erinnere mich daran, daß er angeblich um die Tatzeit herum spazierenging , und zwar allein, und daß er niemanden
getroffen hat, der ihn kennt. Folglich kann er auch kein Alibi haben!«
»Schon möglich, daß Bailey
keinen getroffen hat während seines Spazierganges«, schnappte Harding. »Aber
jemand hat ihn gesehen. Einer meiner Streifencops nahm in dieser Nacht einen Verdächtigen fest. Ein kleiner Ganove mit einer
ellenlangen Vorstrafenliste war es. Der Streifencop sah, wie dieser Bursche einem gutgekleideten Gentleman folgte, und er schnappte
sich ihn in dem Moment, als er in Aktion treten wollte. Beide, der Streifencop und der Ganove, sind sich außer Zweifel darüber
einig, daß besagter Gentleman Greg Bailey war, und dies alles passierte genau
in dem Zeitraum, in dem Ellen Fitzroy ermordet worden
ist!«
»Ist da wirklich jeder Irrtum
ausgeschlossen?« fragte ich ohne Hoffnung.
»Stellen Sie sich nicht dümmer,
als Sie sind, Boyd«, knurrte Harding. »Sie wissen genauso wie ich, daß dies
eine dumme Frage ist.«
»Dann ist Bailey nichts weiter
als ein tüchtiges Kerlchen, der sichergehen wollte, auch
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