Mörderisches Musical
eindeutig versucht, mich
hinauszudrängen — überließ Mort größtenteils das Reden. Mort hat gesagt, er
meint, der größte Schnitt sollte bei mir gemacht werden, weil ich nur der
Choreograph wäre und jeder wüßte, daß Choreographen am wenigsten zur Kasse
beitragen.«
»Klar, wie Fosse und Bennett und Robbins.«
Wetzon war wütend.
»Und vergiß Gower nicht.«
»Wie konnte ich? Was hast du geantwortet?«
»Ich habe Mort gesagt, ich hätte nichts dagegen,
wenn Gideon wirklich etwas beitragen und jeder einen kleinen Prozentsatz
herausrücken würde, aber es könnte auf keinen Fall nur mich betreffen.«
»Und dann?«
»Er tobte, er wäre von Undankbaren umgeben, die
es am Theater zu nichts gebracht hätten, wenn er nicht wäre.«
»Nicht zu fassen!«
»O doch, genau so.«
»Er beginnt, seinen Zeitungsausschnitten zu
glauben.«
»Dasselbe habe ich ihm auch gesagt, und da ist
er übergeschnappt und wie das alte Rumpelmortchen herumgesprungen und hat Hiebe
ausgeteilt. Da habe ich gesagt, eher schmeiße ich die Show hin, als daß ich als
einziger Anteile abgebe.«
Wetzon zog scharf die Luft ein. »O Gott!«
»Tu ich nicht, Schatz, aber er hat mich zur
Weißglut gebracht. Für wen zum Teufel hält er sich, für Hai Prince? Ich habe
mich von Anfang an genauso engagiert wie er. Genaugenommen hat er die Idee von mir. Die Show besteht fast nur aus Musik und Tanz. Herrgott!« Carlos’ flache Hand
schlug auf den Tisch; Kaffee schwappte aus den Tassen auf die Untertassen.
»Wer hat das Fenster aufgemacht? Es war wie auf
dem Mount Everest.«
»Joel hat eine Zigarre geraucht«, sagte Carlos.
»Ich habe es selbst aufgemacht, um zu lüften.« Seine Lippen verzogen sich zu
einem dünnen Lächeln. »Das nächste Mal, wenn Mort so etwas versucht...«
»Das nächste Mal? Carlos, das ist Wahnsinn.«
»Das nächste Mal«, wiederholte Carlos mit
eisigen Augen, »bringe ich ihn um.«
»Was
meinst du?«
Smith ging in einem hellgrauen maßgeschneiderten
Herrenanzug von Calvin Klein wie ein Model vor dem dreiteiligen Spiegel auf und
ab.
»Toll, Smith.«
Was machte sie überhaupt hier? Was hatte sie
überhaupt in Boston zu suchen?
»Du paßt nicht auf!« sagte Smith erregt. »Du
deprimierst einen heute geradezu.«
»Was erwartest du? Mort versucht, Carlos aus dem
Fenster des Ritz-Carlton zu werfen, und du gehst mit mir einkaufen.«
Wetzon zerrte den Rock herunter, den sie mühsam über die Leggings gezogen
hatte.
Smith tätschelte ihren flachen Bauch. »Den nehme
ich. Er ist genau das Richtige für das Frühjahr.« Sie streifte das Jackett ab
und hängte es auf den Bügel.
Wetzon nahm den Platz vor dem Spiegel ein, den
Smith vorübergehend frei gemacht hatte. »Ich glaube, diese Spiegel sind Betrug.
Sie sind so konstruiert, daß wir dünn aussehen.«
»Wenn ich geahnt hätte, daß du nur
herumnörgelst, hätte ich dich nicht aufgefordert mitzukommen. Mort war einfach
ein bißchen nervös. Nimm nicht alles so ernst.«
»Wie bitte?« Wetzon kochte vor Wut. »Ich glaube,
wir haben hier nicht dieselbe Wellenlänge.« Das Zusammensein mit Smith zerrte
wirklich an ihren Nerven. Verschwinde hier, bevor du an die Decke gehst, befahl
sie sich.
»Wohin gehst du?«
»Zur Kosmetik runter, neuen Eyeliner kaufen.« Weil
mein anderer ins Klo gefallen ist, als ich dein Zeug wegräumte.
Wetzon schloß die Tür des Anproberaumes. Am
liebsten hätte sie das Kinn zur Decke gereckt und ein Geheul ausgestoßen, aber
hier bei Bonwit’s traute sie sich nicht. Vor sich hin murmelnd ging sie
die Treppe hinunter zum ersten Stock.
Sie mußte sich eingestehen, daß das Showbusineß
sie deprimierte. Nicht nur Mort, auch alles andere. Das kalte,feuchte Theater, die endlosen Technik- und Kostümproben,
das Hauen und Stechen hinter der Bühne im Wetteifer um einen Platz im
Rampenlicht. Es war gemein. Und dazu die Vorstellung, daß Talent so leicht
ersetzt werden konnte.
Am liebsten wäre sie immer weitergegangen —
durch die Tür von Bonwit’s hinaus, in ein Taxi steigen, sich in den
Pendler setzen, nach Hause fliegen. Eine heimliche Sehnsucht nach der
Sicherheit, die sie in Altons Gesellschaft empfand, überfiel sie auf der
Treppe. »Du meine Güte!« sagte sie laut und blieb abrupt stehen. Eine
Verkäuferin mit einem blauen Namensschild sah sie fragend an. Wetzon lächelte
und schüttelte den Kopf. »Ich habe nur laut gedacht.« Sie ging auf der Treppe
zum Erdgeschoß weiter. Sicherheit? Alton bedeutete Sicherheit. Das war
Weitere Kostenlose Bücher