Mörderspiel
Schließlich drehte sie sich um und sah, dass Camy noch in der Tür stand.
„Wir müssen weitermachen mit dem Spiel“, erklärte sie leicht ungeduldig, bevor sie Sabrinas Tür mit einem kurzen, scharfen Klick schloss.
6. KAPITEL
J on schritt den langen Korridor entlang zu seiner Suite. Er war sich bewusst, dass Camy ihn beobachtete und ungeduldig wartete, bis er in seinem Zimmer verschwand und sich einschloss. Er lächelte vor sich hin. Camy und Joshua nahmen dieses Krimispiel sehr ernst. Deshalb hatte er sie ja auch auserkoren, es zu leiten, anstatt als Spieler daran teilzunehmen.
Denn abgesehen von dem Spaß, den die Autoren immer in dieser Woche hatten, und der zusätzlichen Publicity, diente das Spiel hauptsächlich wohltätigen Zwecken. Gerade deshalb sollte alles glatt gehen. Und wer konnte besser für einen reibungslosen Ablauf sorgen als die hart arbeitende Camy Clark und der übergenaue, gewissenhafte Joshua Valine?
Jon erreichte sein Zimmer, winkte Camy zu und schloss die Tür hinter sich. Sobald er allein war, starrte er mit leerem Blick auf sein Bett und fragte sich, warum um alles in der Welt er Cassandra nur geheiratet hatte?
Er ging ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Im Spiegel entdeckte er die Linien um seine Augen. Damals, als er Cassandra heiratete, war er jünger gewesen, aber beileibe kein grüner Junge mehr. Als ausgefuchster Manipulator ihrer Mitmenschen konnte sie freundlich, vernünftig und liebevoll sein, wenn es ihren Zwecken diente. Aber was ihn damals wirklich für sie eingenommen hatte, und was ihn heute belastete, war das Gefühl gewesen, dass sie ihn aufrichtig geliebt hatte. Sicher, sie hatte nie aufgehört zu streiten, weil sie in allem ihren Kopf durchsetzen wollte. Dennoch hatte Cassandra ihn vermutlich geliebt, so gut sie es eben vermochte.
Er ging auf den Balkon hinaus und blickte, sich erinnernd, auf den Brunnen hinab. Trotz der inzwischen vergangenen Zeit empfand er echten Schmerz und Trauer. Arme Cassie. Sie hatte das Leben so sehr geliebt.
Sie hatte sich nicht selbst umgebracht, dessen war er sicher. Ihr Tod war als Unfall in die Akten eingegangen, doch der Unfalltheorie konnte er nur schwer zustimmen.
Nein. Er erinnerte sich, wie sie seinen Namen gerufen hatte… ihre Stimmlage hatte sich plötzlich wie in Not verändert. Und es bedrückte ihn, dass er sie am Ende auf eine unverzeihliche Weise im Stich gelassen hatte.
Unvermittelt beschlich ihn Unbehagen, ja Angst vor dieser Krimi-Woche. Natürlich hatte er immer wieder über sein Vorhaben nachgedacht und die Idee abgewogen – immerhin fast drei Jahre lang. Doch es schien ihm eine durchdachte, vernünftige, wenn auch beängstigende Lösung zu sein. Bis…
Eine erste, irrationale Verunsicherung hatte ihn beschlichen, als er mit Sabrina zusammen gewesen war – in ihrem Zimmer, auf ihrem Balkon.
Er blickte erneut auf die Poseidonstatue hinab, die Cassie gehalten hatte, als sie starb. Er hatte gehofft, in dieser Woche einen Killer zu fassen. Und er hätte nie für möglich gehalten, dass er sich bereits nach einem Tag lieber mit seiner Zukunft befassen würde als mit der Vergangenheit.
Und das machte ihm Angst.
Angst machte Menschen schwach.
Er konnte sich Schwäche nicht leisten.
Jon hörte ein Geräusch und drehte sich um. Unter seiner Tür wurde ein Umschlag durchgeschoben.
Er hob ihn auf, öffnete ihn – und ihm wurde eiskalt.
Die Nachricht, die er erhalten hatte, war eine Warnung … und gehörte nicht zum Spiel…
Die Frau platzte in sein Zimmer, während er an seinem Schreibtisch saß, den Kopf in die Hände gestützt.
Er richtete sich auf und starrte sie verblüfft an.
Ihr Blick war wütend.
Und sie deutete mit dem Finger auf ihn.
„Ich weiß, was passiert ist! Ich weiß genau, was da los war! Vielleicht habe ich nicht alle Beweise, aber ich habe die Geschichte Stück für Stück zusammengesetzt. Und wenn ich die Wahrheit verkünde, mein Lieber, kannst du deinem eleganten Lebensstil Ade sagen!“
Er war bestürzt und einen Moment lang sprachlos. Dann fasste er sich, setzte sich gerade hin und gab sich unbekümmert. „Was immer du zu wissen glaubst, spielt keine Rolle.“
„Nein? Jetzt komm aber. Ich sehe doch, dass es eine neue Liebe in deinem Leben gibt. Vielleicht eher eine alte Liebe, das ist schwer zu sagen. Aber freust du dich nicht auf die Zukunft?“
„Ich verstehe das nicht. Warum bist du hier? Wenn du die Wahrheit kennst, oder glaubst, sie zu kennen, warum
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