Mörderspiel
Fantasie mit ihm auch schon durch.
„Ich glaube, wir können hier unten nichts weiter tun“, sagte er zu Thayer.
„Da stimme ich dir zu. Hier findet sich nichts, das Susans Angaben bestätigt oder widerlegt. Hier war vielleicht was los. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen. Das Licht ging plötzlich aus, und Susan schrie mich an, ich versuche sie zu verbrennen, weil ich mein Feuerzeug anmachte.“
„Der Schneesturm ist wohl wirklich ein Akt höherer Gewalt“, bemerkte Jon trocken. „Ich glaube kaum, dass sich jemand hinstellt und Stromkabel abschießt, damit er Susan eins auswischen kann.“ Bedauernd lächelnd fügte er hinzu: „Ich fürchte, es gibt nur eine Möglichkeit, der Sache auf den Grund zu gehen.“
„Welche?“
„Weiterspielen. Das Spiel durchziehen, wie wir es vorgehabt haben.“
Das Schloss war im Halbdunkel erst recht unheimlich.
Nicht dass Sabrina noch nie an einem Ort mit Stromausfall gewesen wäre. Stürme rissen schließlich auf der ganzen Welt Leitungen herunter.
Aber hier im Schloss war es anders. Geheimnisvolle Schatten füllten Ecken und Winkel. Kerzen und Kerosinlampen warfen flackernde Lichtspiele auf die Steinwände. Jede Nische schien ein Geheimnis zu bergen oder eine finstere Bedrohung.
Fast wäre sie die Treppe hinuntergelaufen, um schnell in die Halle zu gelangen.
Die war jedoch leer. Alle anderen Gäste hatten bereits gegessen und waren gegangen.
Die Speisen standen noch da. Auf dem Buffet waren Warmhalteschüsseln aufgereiht, wenn auch etliche Stövchen bereits ausgebrannt waren. Jemand hatte begonnen, den Tisch abzuräumen, doch es waren noch einige Teller zurückgeblieben.
Sabrina begann den Inhalt der Schüsseln zu inspizieren. Unvermittelt lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie fuhr herum, absolut überzeugt, aus dem Dunkel beobachtet zu werden.
Doch sogleich kam sie sich töricht vor. Hinter ihr stand niemand. Genau wie Susan begann sie sich Dinge einzubilden. Fürchtete sie sich etwa vor einer Gestalt im Umhang, die sie erstechen wollte, sobald sie nicht hinsah?
Allerdings hörte sie aus dem Foyer Schritte, die zur Haupttreppe gingen. Sie verließ die Halle und blieb im Türdurchgang stehen.
Jon war von unten heraufgekommen. Auf halber Treppe nach oben begegnete ihm Anna Lee. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. Ihr welliges Haar fiel nach vorn und streichelte ihr Gesicht. Sie lächelte. Ein wunderschönes Lächeln. Doch dann sagte sie etwas und schien besorgt. Sabrina konnte ihre Worte nicht verstehen. Jon nahm ihre Hand zwischen seine Hände. Anna Lee wirkte zart und zerbrechlich neben dem großen muskulösen Mann. Als er eine Stufe weiter zu ihr hinaufstieg, flüsterte er ihr etwas zu wie ein freundlicher Beschützer. Da war etwas wie Zärtlichkeit zwischen den beiden. Anna Lee kehrte um und begleitete ihn die Treppe hinauf.
Sabrina schlüpfte in die Halle zurück, lehnte sich an die Wand und fühlte sich schwach.
„Es war nicht Anna Lee“, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit. Sabrina zuckte heftig zusammen und staunte, dass sie nicht entsetzt aufschrie.
Reggie Hampton tauchte plötzlich auf, sie hatte sich aus einem großen antiken Sessel erhoben, der neben dem Durchgang zur Küche stand. Sie wirkte alt und müde, hielt sich jedoch sehr gerade und würdevoll.
„Was?“ flüsterte Sabrina.
Reggie hob schwach lächelnd kurz die Schultern. „Ich habe lediglich gesehen, wie Sie Jon und Anna Lee beobachtet haben. Menschen beobachten hält mich am Leben. Nebenbei bemerkt, erhält es mir meinen Scharfsinn. Sie tragen Ihre Gefühle erkennbar zur Schau und…“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Reggie“, unterbrach Sabrina sie.
„Ich rede von unserem Gastgeber, meine Liebe“, erklärte Reggie freundlich, und ihre scharfen alten Augen blieben wachsam. „Sie haben soeben Jon und Anna Lee beobachtet. Und Sie mussten an das Gerücht denken, dass Jon damals eine Affäre hatte, als Cassie starb.“
Sabrina erwiderte stirnrunzelnd: „Reggie, ich habe wirklich kein Recht…“
„Sie sind Freunde, Anna Lee und Jon. Aber seien Sie unbesorgt, meine Liebe. Da läuft nichts zwischen den beiden, sexuell meine ich.“
„Er hat das Recht, jede Art von Freundschaft mit ihr zu haben“, erwiderte Sabrina. „Auch sexuell.“
Reggie lächelte. „Sicher, meine Liebe. Wie Sie meinen. Ich sehe, dass es Ihnen völlig gleichgültig ist. Deshalb sollen meine Lippen auch versiegelt sein. Und ich werde schweigen über das, was ich weiß. Dann
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