Möwenspur
Werkes
in Rosporden. Ein gewisser Hervé Lescop hatte eine
große Geldsumme unterschlagen. Hier stand ein Betrag von 1.800.000€. Paul blätterte nach unten um die
Adresse von Hervé Lescop zu finden. In der Adresszeile stand ‚PONT AVEN‘, Rue Louis Lomenech.
Paul überlegte, ob er Ewen sofort informieren oder ob
er sich zuerst noch weitere Informationen heraussuchen sollte. Er entschied sich, weiter zu suchen und
seinem Chef dann mehr Details liefern zu können.
Paul Chevrier ließ sich die Akte kommen und sah sich
jede Einzelheit an. Der Mann stand nach wie vor auf
der Fahndungsliste. Seit seiner ersten Vernehmung
vor etwas mehr als drei Wochen war er untergetaucht
und wurde von der police judiciaire gesucht.
Man
hatte ihn bis zur Verhandlung gegen eine Kaution
freigelassen. Bei seiner Vernehmung hatte er finanzielle Probleme als Motiv für die Unterschlagung angegeben. Paul las:
Vernehmung von Hervé Lescop
Datum: 13.05.2011 14 Uhr 30
Anwesend: Kommissar André Tanguy, Yves Tessier
Frage: Warum haben sie das Geld unterschlagen?
Antwort: Ich hatte in den Monaten davor einen großen Teil meines Vermögens bei der Banque Villatte
angelegt. Man hatte mir versichert, dass ich mit der
Anlage deutlich besser läge als mit einem Sparbuch.
Ich sollte eine Verzinsung von sieben Prozent bekommen. Das Geld hatte ich für meinen bevorstehenden
Ruhestand zur Seite gelegt, weil ich mit meiner Frau
eine größere Reise machen wollte und außerdem einen Altersruhesitz in der Provence erwerben wollte.
Mein Kundenberater bei der Banque Villatte, ein gewisser Herr Jaouen, überzeugte mich schließlich von
dem Erwerb dieser Immobilienpapiere. Dann kam die
Krise und ich verlor mein ganzes Vermögen. Wie sollte ich meiner Frau das sagen. Ich habe mich geschämt und wollte mit dem Geld der Firma Bondella
an der Börse spekulieren und so einen Teil meines
Geldes zurückbekommen. Es wäre auch alles gut gegangen. Mein Vorgehen war zwar etwas riskant aber
ich gewann eine deutliche Summe. Kurz bevor ich das
Geld wieder auf das Firmenkonto transferieren konnte, flog die Sache auf. Ich wollte den gesamten Betrag
zurückbezahlen. Sie müssen mir das glauben.
Frage: Wo ist das Geld jetzt?
Antwort: Es liegt noch immer auf einem Konto bei…
Frage: Wo liegt das Geld?
Antwort: Bevor ich weitere Auskünfte gebe, möchte
ich meinen Anwalt sprechen.
Paul Chevrier hatte genug gelesen. Hier hatte er nicht
nur einen Mitarbeiter der Firma Bondella der in Pont
Aven wohnt, sondern auch das Motiv für einen Mord
an Pierre Jaouen gefunden. Der Fall schien sich dem
Ende zuzuneigen.
Er rief umgehend seinen Chef an und erklärte ihm was
er gefunden hatte. Ewens Lob war Balsam für Paul,
der sonst immer nur im Schatten seines Chefs stand.
Ewen Kerber rief Marc an und teilte ihm die überraschende Wendung im Fall mit. Endlich gab es eine
echte Spur. Seine Laune besserte sich deutlich. In den
letzten Tagen war er mit dem schleppenden Vorgangsehr unzufrieden gewesen.
„Hast du Lust, mit nach Pont Aven zu fahren? Ich
möchte die Ehefrau von Lescop befragen. Vielleicht
finden wir etwas heraus, was das Betrugsdezernat
übersehen hat.“
„Ich komme natürlich gerne mit.“
Marc wollte auf jeden Fall dabei sein. Obgleich ihm
die Wendung des Falles Unbehagen bereitete. Sollte
es wirklich so sein,dassessichhierumzwei voneinander unabhängige Morde handelte?
Bis jetzt schien ihm die Vergewaltigung ein wesentlich überzeugenderes Motiv zu sein. Aber er selbst
hatte Ewen doch gesagt, dass es auch andere Motive
geben könnte. Warum jetzt diese Zweifel?
Marc konnte es sich nicht erklären, warum er dieser
Wendung so ablehnend gegenüberstand. Die Hinweise
waren deutlich und man konnte sie auf keinen Fall
links liegen lassen. Nein, sie mussten dieser Spur
nachgehen. Die Aussage von Gerard, dass eine Frau
die Männer in die Bretagne geholt habe, hatte sich in
seinem Kopf so festgesetzt, dass er an nichts anderes
mehr denken konnte. Er zwang sich zur Konzentration. Er wollte und durfte nichts übersehen. Zumal
nicht hier in der Provinz, man würde sich über den
Kommissar aus der Hauptstadt lustig machen wenn er
stümperhaft arbeitete.
Als er den Anruf von Ewen Kerber erhalten hatte, saß
er mit Gerard am Tisch und trank eine Tasse Kaffee,
es war kurz nach 16 Uhr. Gerard hatte ihm sein neues
Bild gezeigt. Es bildete eine Klippe ab an der sich
eine Welle brach und die Gischt sich beinahe bis an
den oberen Rand der Klippe ausdehnte. Farblich gefiel es ihm ganz gut aber
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