Möwenspur
setzten Carla und Ewen sich
ins Wohnzimmer, nahmen sich noch ein Glas Rotwein
und unterhielten sich über die aktuelle Wirtschaftspolitik.
Die Krise in der Finanzindustrie hatte auch die BNP
Paribas in Mitleidenschaft gezogen und Carla berichtete von zahlreichen Entlassungen in Paris. Quimper
war ausnahmsweise nicht betroffen. Diese Krise dauert nun schon seit mehr als drei Jahren und ein Ende
war immer noch nicht abzusehen. Früher hätte sie sich
eher über Mode oder über die neuesten Handtaschenmodelle unterhalten, jetzt aber stand die Sorge um den
Arbeitsplatz im Vordergrund. Sie gingen früh zu Bett.
Ewen Kerber verzichtete sogar auf die späten Nachrichten, die er sich sonst immer gerne ansah.
Als Ewen am Samstagmorgen ins Büro fuhr, hatte er
sich vorgenommen nur für zwei oder drei Stunden zu
bleiben. Auch ein Kriminalkommissar hatte das Recht
auf ein Wochenende. Er wollte aber unbedingt noch
einmal mit Lescop sprechen. Jean-Paul Claude hatte
ihm am gestrigen Abend noch darüber informiert, dass
die beiden Toten von einer Lolita 23 in die Bretagne
gelockt worden waren. Vielleicht konnte Lescop ja
etwas mit diesem Namen anfangen. Ewen wusste
durchaus dass es ein erfundener Name war, aber häufig wählten die Menschen Namen die einen Bezug zu
ihrer Umgebung oder Arbeitsstelle hatten. Als er im
Büro angekommen war, veranlasste er dass man
Lescop in den Verhörraum brachte.
Hervé Lescop saß gefasst auf seinem Stuhl als Ewen
Kerber eintrat.
„Guten Morgen Herr Lescop.“ begrüßte er den Untersuchungshäftling. Lescop nickte, blieb aber still.
„Ich möchte mich nochmals mit Ihnen über die beiden
Toten unterhalten. Sie kannten Pierre Jaouen?“
„Das habe ich Ihnen bereits gesagt, ja.“
„Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?“
„Das war vor über drei Jahren. Damals war ich in Paris bei der Bank Villatte um mein Geld besser als nur
auf dem Sparbuch anzulegen. Jaouen war der Anlageberater der mich bedient hat und dem ich das ganze
Schlamassel in dem ich jetzt stecke verdanke.“
„Also schon ein Grund echt sauer auf diesen Menschen zu sein, nicht wahr?“
„Ja, das habe ich auch gestern bereits zugegeben.
Wieso erneut die ganzen Fragen? Ich werde Ihnen
auch heute nichts anderes sagen können, weil es der
Wahrheit entspricht. Danach habe ich mehrfach mit
diesem Herrn telefoniert aber ihn nie wieder persönlich aufgesucht.“
„Sagen Sie Monsieur Lescop, was verbinden Sie mit
dem Namen Lolita oder Lolita 23?“
„Hmm, mit Lolita würde ich nichts verbinden, außer…“
„Außer was?“
„Außer dass wir manchmal die Sekretärin vom Chef
so genannt haben. Die Lolita aus dem Chefbüro. Mit
der Nummer 23 könnte ich höchstens die entsprechende Durchwahl in Verbindung bringen. Die Sekretärin heißt Julie Guillo und hat die Durchwahl 23.“
Ewen Kerber sah Lescop an, er schien nicht zu lügen.
Seine Gesichtszüge spiegelten eine gewisse Gelassenheit und Sicherheit wider. Keine Spur von Nervosität
war zu erkennen. Ewen Kerber kombinierte in Gedanken bereits während er Lescop immer noch ansah.
„Glauben Sie mir schon wieder nicht? Oder warum
machen Sie so eine Miene?“ Lescop war verärgert. Er
sagte die Wahrheit und man schien ihm nicht zu glauben.
„Nein Monsieur Lescop,“ sagte Ewen Kerber jetzt
„nein ich glaube Ihnen, Sie haben mir sehr geholfen.“
Dann winkte er die Wache herbei und gab Anweisung,
Lescop wieder in seine Zelle zu bringen.
„Ich möchte einen Anwalt, Sie können mich nicht
ständig in eine Zelle sperren. Ich habe mich gestellt
weil die Anzeige die gegen mich vorlag zurückgenommen worden ist. Mit den Morden habe ich nichts
zu tun.“
„Sie haben natürlich das Recht auf einen Anwalt, ich
veranlasse, dass Sie telefonieren können.“ Damit verließ er den Raum und ging in sein Büro zurück.
Er nahm den Telefonhörer und wählte die Nummer
von Marc Louvin. Diese Information über den Namen
Lolita 23 war ein echter Fortschritt. Marc Louvin ging
augenblicklich ans Telefon.
„Hallo Ewen, was treibt dich an einem Samstagmorgen ins Büro. Ich sehe an der Nummer auf dem Display,
dass
du
vom
Büro
aus
telefonierst.“
„Ja Marc, ich bin für einige Stunden ins Büro gegangen. Ich will aber bald wieder zu Carla zurück, wir
wollen noch einen Ausflug nach Huelgoat machen.“
„Wohin wollt ihr fahren? Huelgoat, habe ich noch nie
gehört.“
„Hier in der Bretagne kennt man den kleinen Ort gut.
Er liegt südlich von Morlaix. Der König Arthus-Wald
von Huelgoat ist sehr
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