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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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Weg der Lehrerin. Sie wich aufgeschreckt aus, rempelte prompt das Regal neben sich und ließ ihren Einkaufskorb fallen. Scheppernd ging darin eine Flasche zu Bruch und badete den Rest ihrer Einkäufe in duftendem Rotwein. Aus den Augenwinkeln registrierte Fredo, dass sich Tim und sein Gefährte davonmachten. Ob sie ihn und die Lehrerin gesehen hatten?
    »Verdammt, können Sie nicht aufpassen?«, fiel Helena Anatol über ihn her – um gleich darauf in resignierter Verzweiflung festzustellen: »Oh nein, Sie schon wieder …«
    Fredo bückte sich bereits, um den Korb aufzuheben. Der Rotwein lief aus den offenen Seitenlamellen und verbreitete sich in einer Lache auf dem Fußbodenbelag. Besser, den Korb da unten zu lassen, dachte Fredo und warf einen schnellen Blick auf das Etikett der zerbrochenen Flasche.
    »Montepulciano. Wird sowieso überschätzt.«
    »Deshalb mussten Sie ihn mir gleich aus der Hand schlagen?«
    Fredo richtete sich wieder auf und lächelte die Lehrerin freundlich an. »Darf ich Ihnen einen anderen Wein empfehlen? Einen Luberon vielleicht, aus dem Département Vaucluse …«
    »Sie dürfen die Sauerei wegräumen.«
    Damit ließ Helena Anatol ihn und den Korb kurzerhand stehen und rauschte davon, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Fredo sah ihr bedauernd nach. Von hinten sah sie auch gut aus. Zumal aus dieser Perspektive das fehlende Lächeln nicht weiter störte.
    »Meine Güte, was ist denn hier passiert?« Eine Verkäuferin mit karottenfarbenen Strähnchen im hochtoupierten Haar schlug entsetzt die Hände vorm Kittel zusammen und musterte Fredo vorwurfsvoll. »Ist das Ihr Korb?«
    »Keineswegs«, wehrte Fredo ab. »Mein Einkaufswagen steht einen Gang weiter.« Schon wandte er sich ab und schritt gemessenen Schrittes von dannen. Hinter ihm machte sich die geplagte Verkäuferin zeternd an die Aufräumarbeit. Alles wegen Timmie, dachte Fredo grimmig, mit dem werde ich ein Wörtchen reden, wenn er nach Haus kommt. Wenn Gesche wüsste, dass ihr Urenkel klaut … Gesche! Fredo verzögerte unwillkürlich seinen Schritt. An Gesche hatte er gar nicht mehr gedacht. Sie müsste doch hier irgendwo sein? Dies war der Gang mit dem Orangensaft, genau hier hatte er die Großmutter mit dem Einkaufswagen stehen lassen. Wäre sie von hier aus weiter in Richtung der Kassen gegangen, hätte er sie eigentlich sehen müssen. Bestimmt hat sie etwas vergessen und ist nun wieder ein paar Gänge zurück, überlegte Fredo. Auf dem Weg zurück zum Eingang spähte er in jeden Seitengang – von Gesche keine Spur …
    Mehl. Eier. Milch. Und noch etwas, sie kam bloß nicht drauf. Ich muss zu Feinkost-Lehmann, überlegte Gesche fieberhaft. Die Gedanken wetterleuchteten in ihr. Das hier ist nicht Lehmann. Das ist was ganz anderes. Fredo ist auch weg. Ich will Pfannkuchen backen. Raus hier. Da ist die Tür. Da geht’s raus. Keine Klinke. Ich will raus!
    Fredo vernahm das monotone Scheppern, noch bevor er den Eingang erreichte, und beschleunigte besorgt seine Schritte. Dann sah er endlich seine Großmutter und erfasste die Situation: Gesche knallte den Einkaufswagen gerade wieder mit Schwung von innen gegen die geschlossene Eingangstür – die sich aber nur öffnen würde, wenn sich von außen jemand der Lichtschranke näherte. Genau das verhinderte jedoch der Anblick der rasenden Rentnerin. Während Gesche panisch die Tür von innen attackierte, staute sich draußen die verhinderte Kundschaft in sicherem Abstand vor dem Eingang und glotzte in kollektiver Untätigkeit auf das seltsame Schauspiel. Gesche zog den Einkaufswagen wieder zurück und rüstete sich bebend zum finalen Frontalangriff. Im letzten Moment umklammerte Fredo seine Großmutter mit beiden Armen. Er fühlte, dass sie am ganzen Leibe zitterte.
    »Fredo … Ich will raus hier …«
    Fredo empfand tiefe Ratlosigkeit. Das war doch Gesche, die starke Gesche! Er hielt sie umarmt, bis endlich draußen eine dicke Frau zur Erkenntnis gelangte, dass die Sensation nun vorüber sei und man zum Alltag übergehen müsse. Die Dicke schob ihren Einkaufswagen an die Eingangstür heran, die schwang folgerichtig auf und gab den Weg frei für den Vorbeimarsch der Konsumkarawane. Die meisten vermieden jeden Blickkontakt mit dem jungen Mann und der durchgeknallten Irren, andere starrten in unverhohlener Neugier herüber. Fredo wartete ab, bis die Bahn frei und die Tür gerade noch offen war, dann zog er Gesche rasch mit sich ins Freie. Der Einkaufswagen blieb

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