Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
holen Teller und Besteck aus der Küche und lassen es uns schmecken. Ich spreche weiter auf ihn ein, versuche Überzeugungsarbeit zu leisten. In Belgien hast du selbst als Illegaler bessere Chancen, sage ich, dein Onkel lebt dort, die Gesetze sind nicht ganz so streng wie in Österreich, es ist alles immer noch besser als hier, doch Djaafar hört mir nicht wirklich zu. Jetzt brauche ich ein Mittagsschläfchen, unterbricht er schriftlich meine Bemühungen und führt mich ins hinterste Schlafzimmer. Ein wenig widerwillig lasse ich mich auf ein frisch gemachtes Bett sinken, Anja ist der Name der Matratze, die mich seufzend aufnimmt, Mareike heißt die Decke, die mich verführerisch umgarnt, und an Silkes samtigen Seidenpolsterbusen schmiege ich sodann mein nachmittagsschweres Lockenhaupt.
Zwar kehre ich unverrichteter Dinge ins Leo zurück, doch bleibe ich nicht untätig. Die Schonzeit ist vorbei, es gibt zu viel zu tun, als dass man die Hände in den Schoß legen könnte. Djaafar braucht uns, berichte ich meinen Genossinnen und Genossen, und diesmal hören sie auf mich. Bei einer Zusammenkunft im Fußballzimmer erklären sich alle bereit, einen Teil ihres gerade erhaltenen Taschengeldes abzugeben, jeder verspricht, dies auch in den kommenden Monaten zu tun. Gemeinsam beschließen wir, aus den im Haus vorhandenen Essensvorräten jede Woche einiges für Djaafar abzuzweigen und ihm bei Bedarf Kleidung aus dem hiesigen Fundus zukommen zu lassen. Ich nutze die Gelegenheit unserer Zusammenkunft und den neuen Elan, um zu neuen Aktionen aufzurufen. Wir dürfen nicht aufgeben, wir müssen weitermachen, nicht nur Djaafar braucht uns. Wer braucht uns noch, fragt Tomo auf Serbokroatisch, Wer braucht uns schon, will Nino zur gleichen Zeit auf Georgisch wissen, und ich habe meine Genossinnen und Genossen genau da, wo ich sie haben will. Ich brauche euch, ihr braucht mich, wir alle brauchen einander, versteht ihr denn nicht? Ich schlage eine neue Aktion vor. Denkt darüber nach, sage ich, schlaft darüber, wer dabei sein will, soll morgen um die gleiche Zeit hier sein.
Hätte ich darauf gewettet, wer sich am nächsten Tag als Erster im Fußballzimmer einfinden würde, ich hätte die Wette mit Sicherheit verloren: Es ist Kamal das Kamel, und er ist nicht nur der Erste, sondern der Einzige! Du hast recht, sagt er, wir dürfen nicht aufgeben, wir müssen kämpfen. Ich umarme ihn, Kamal, Bruder, du treue Seele du! Fünf Minuten später öffnet sich die Tür, Tomo tritt ein wenig zögernd ein. Kurze Zeit danach erscheint Nino, und nach und nach kommen weitere fünf Kampfgenossen dazu. Wir sind neun an der Zahl und zum Kampf gegen das Böse bereit, the fellowship is complete, und Mordor mit all seinen Handlangern im Ministerium für innermittelirdische Angelegenheiten erzittert, denn wir haben den Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.
Die Aktion führt uns wieder in das große Haus mit den vielen Zimmern am Stadtrand, wo wir das Sortiment um einige schöne neue Produkte bereichern. Provokation ist unser Begehr, Aufmerksamkeit unser Verlangen, wir setzen auf Aktion statt Reaktion, Ermächtigung statt Ohnmacht, unsere Taktik ist die der Guerilleros, ein Nadelstich hie und einer da, und dazwischen sind wir unauffindbar.
Wir haben kleine Plakate gebastelt, Logo und Schriftart sind die des Möbelhauses, wir postieren uns damit in den verschiedenen Abteilungen des Gebäudes. Hallo, ich bin dein neuer Geschirrspüler, ich heiße Sven, steht beispielsweise auf Tomos Plakat, und man findet Sven natürlich in der Küchenabteilung. Ich bin vierundzwanzig Stunden für dich und dein Geschirr da und gehorche dir auf Knopfdruck. Ich mag es gerne schmutzig und liebe es, die Essensreste aus deinen Töpfen und das Fett von deinen Tellern zu lecken. Hallo, ich heiße Myra, ich bin dein neuer Komfortsessel, verkündet Ninos Plakat, setz dich, entspann’ dich und lass’ dich von meinen weichen Armen umfangen. Du kannst mich in die verschiedensten Stellungen bringen, und ich bin sicher, du wirst jede einzelne davon bis in die letzte Faser deines Körpers genießen. Ich heiße Nils, so lautet die Aufschrift auf meinem Plakat, ich bin dein neuer Kleiderständer. Ich bin ganz aus Ebenholz gemacht und stehe sehr auf deine Jacken und Mäntel. Ich komme aus Afrika, deshalb bin ich so billig und so willig. Kamal wiederum gibt es als kostenlose Draufgabe zu einem hübschen Gabbeh-Teppich: Wenn du diesen Teppich
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