Mohrenwäsche
sagte er. »Ich an Ihrer Stelle würde es, glaub’ ich, nochmal mit einem Besuch probieren, und wenn die Leute nicht da sind, nach Hause fahren.«
Der Kommandant nickte unsicher. »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte er. Mr. Mulpurgos Schluckauf meldete sich wieder. »Immer noch Flatulenzen?« fragte der Kommandant mitfühlend. »Sie sollten mal versuchen, den Atem anzuhalten. Manchmal hilft’s.«
Mr. Mulpurgo sagte, das habe er schon mehrere Male versucht, jedoch ohne Ergebnis.
»Ich habe mal einen Mann vom Schluckauf geheilt«, fuhr der Kommandant, Erinnerungen nachhängend, fort, »indem ich ihm einen Schrecken einjagte. Es handelte sich um einen Autodieb.«
»Tatsächlich«, sagte Mr. Mulpurgo. »Und was haben Sie gemacht?«
»Ich sagte ihm, daß man ihn auspeitschen würde.«
Mr. Mulpurgo erschauerte. »Einfach gräßlich«, sagte er.
»Und das wurde er auch«, sagte der Kommandant. »Bekam fünfzehn Hiebe… verlor aber auch seinen Schluckauf.« Er lächelte bei dem Gedanken. Der Englischdozent neben ihm dachte über die furchtbaren Hintergründe dieses Lächelns nach, und es war ihm, und das nicht zum ersten Mal, als befinde er sich in der Gegenwart einer Naturgewalt, für die es keine Zweifel über richtig oder falsch, keine moralischen Empfindungen, keine ethischen Erwägungen gab, sondern nur die rohe Gewalt. In der Naivität des Kommandanten lag etwas Entsetzliches. Der Ausspruch des Kommandanten, »Hund frißt Hund«, hatte nichts auch nur entfernt Metaphorisches an sich gehabt. Er war nicht mehr und nicht weniger als ein Faktum in seinem Leben. Vor der Wirklichkeit dieser Welt roher Gewalt wurden Mr. Mulpurgos literarische Bestrebungen zum schieren Nichts.
»Ich nehme an, Sie finden Auspeitschungen großartig«, sagte er, obwohl er die Antwort wußte.
»Das ist das einzige, was wirklich funktioniert«, sagte der Kommandant. »Gefängnis nützt gar nichts. Das ist viel zu bequem. Aber wenn ein Mensch mal ausgepeitscht wurde, vergißt er es nicht mehr. Es ist dasselbe wie mit dem Hängen.«
»Immer angenommen, es gibt ein Leben nach dem Tode«, sagte Mr. Mulpurgo. »Sonst würde ich meinen, das Hängen wäre die beste Möglichkeit, es zu vergessen, die man sich vorstellen könnte.«
»Leben nach dem Tod oder nicht – ein Mensch, der gehängt ist, begeht keine Verbrechen mehr, das können Sie mir glauben«, sagte der Kommandant.
»Und ist das alles, was für Sie zählt?« fragte Mr. Mulpurgo. »Daß er keine Verbrechen mehr begeht?«
Kommandant van Heerden nickte.
»Das ist mein Job«, sagte er, »dafür werde ich bezahlt.«
Mr Mulpurgo versuchte es nochmal.
»Bedeutet Ihnen das Leben denn gar nichts? Die Unverletzlichkeit des Lebens, seine Schönheit, seine Freuden und seine Unschuld?«
»Wenn ich ein Lammkotelett esse, denke ich nicht über Schafe nach«, sagte der Kommandant. Mr. Mulpurgo schluckte bei dieser Vorstellung.
»Was für ein schreckliches Bild vom Leben Sie haben«, sagte er. »Es scheint darin überhaupt keine Hoffnung zu geben.«
Der Kommandant lächelte. »Es besteht immer Hoffnung, mein Freund«, sagte er, während er Mr. Mulpurgo auf die Schulter klopfte und sich damit gleichzeitig von seinem Sitz hochstemmte. »Es besteht immer Hoffnung.«
Der Kommandant stampfte davon, und bald darauf erhob sich auch Mr. Mulpurgo von der Bank in der Laube und spazierte nach Weezen.
»Ungeheuer viele Betrunkene sind dieser Tage unterwegs«, bemerkte Major Bloxham am nächsten Morgen beim Frühstück. »Traf einen Burschen letzte Nacht in der Bar. Lehrt Englisch an der Universität. Kann nicht älter als dreißig gewesen sein. Sternhagelvoll und schrie die ganze Zeit irgendwas von einem Sinn in der Flüssigkeit aller Dinge. Mußte ihn zu seinem Hotel bringen. Sowas wie ein Kurhaus.«
»Weiß auch nicht, worauf junge Leute so kommen«, sagte der Colonel. »Wenn’s nicht das Trinken ist, sind’s die Drogen. Das ganze Land geht vor die Hunde.« Er stand auf und ging hinaus zu den Hundezwingern, um nachzusehen, wie Forebode vorankam.
»Kurhaus?« fragte Mrs. Heathcote-Kilkoon, als der Colonel draußen war. »Sagtest du Kurhaus, Boy?«
»Ziemlich heruntergekommener Schuppen. Beherbergt Gäste«, sagte der Major.
»Dann muß es das sein, wo der Kommandant abgestiegen ist«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon. Sie beendete ihr Frühstück und befahl den Rolls, und wenig später fuhr sie hinüber nach Weezen und ließ den Colonel und Major Bloxham daheim über die Sitzordnung beim
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