Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
Lisa, unsere Kosmetikerin, ganz aufgekratzt. »Mann, da ist vielleicht was los. Hast du eine Ahnung, was hier überhaupt abgeht?«
»Unser neuer Boss will eine Mitteilung machen, mehr weiß ich auch nicht«, antworte ich.
Ihr Blick bleibt für eine Sekunde auf meinem Gesicht haften. »Hast du geweint?«
»Nein, habe ich nicht«, behaupte ich mit einem dicken Kloß im Hals.
»Trotzdem solltest du dein Make-up in Ordnung bringen, das macht sich nicht gut vor der Presse«, flüstert sie mir zu, bevor sie in die Menge eintaucht.
Das Foyer wimmelt nur so vor Menschen, die aufgeregt quasselnd hin und her hetzen. Ich entdecke ein Podium an der Stirnwand sowie ein paar Reporter mit Kameras, die sich erwartungsvoll davor aufgebaut haben. Das Podium selbst ist noch leer, weder Hans Meier noch Clarissa sind zu sehen. Bleibt mir also noch Zeit, um mein Outfit schnell in Ordnung zu bringen.
Ich drücke mich unauffällig an den anderen vorbei und vermeide es, jemandem in die Augen zu blicken. Sicherheitshalber nehme ich die Treppe, um niemandem zu begegnen, aber gerade als ich auf mein Büro zugehe, kommt Clarissa heraus. Sie ist dem Anlass entsprechend aufgedonnert, und als sie mich entdeckt, blitzen ihre Augen auf.
»Ah, Molly, auch schon da? Wie sehen Sie denn aus, also wirklich! Sie könnten sich wenigstens ein bisschen zurechtmachen, bevor Sie zur Arbeit kommen, fehlt nur noch die Schlafmütze auf Ihrem Kopf.« Dann guckt sie auf die Uhr. »In fünf Minuten geht’s los. Seien Sie bloß pünktlich!« Damit stakst sie eilig davon.
»Ja, werde ich«, murmle ich, dann gehe ich in mein Büro. Dort lasse ich mich in meinen Sessel fallen, nehme wie ferngesteuert die Schminksachen aus der Handtasche und bringe mein Gesicht wieder einigermaßen in Ordnung.
Tief in mir macht sich das schreckliche Gefühl breit, dass das bald gar nicht mehr mein Büro sein wird. Was Clarissa von mir hält, weiß ich ja inzwischen, und wenn sie ihren Einfluss auf den neuen Boss geltend macht, sind meine Tage hier wohl gezählt.
Aber vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein. Vielleicht denkt Clarissa in Wirklichkeit gar nicht so schlecht über mich. Ich meine, ich habe ihr doch nie offen widersprochen, vielmehr habe ich ihr gegenüber meistens so getan, als sei ich durch und durch bemüht und mit ihren Entscheidungen einverstanden. Wer weiß, vielleicht ist ihre Gemeinheit bloß eine superschräge Methode von ihr, um mich anzuspornen und zu motivieren?
Ein winziger Hoffnungsschimmer keimt in mir auf, und ich stoße einen tiefen Seufzer aus. Vielleicht kann ich meinen Job ja doch behalten, und dann werde ich so richtig hart arbeiten, das schwöre ich, und dann ist es auch gar nicht so schlimm, dass ich jetzt kein Geld mehr habe.
Ich nehme all meine verbliebene Energie zusammen und stemme mich hoch. Als ich meinen Schreibtisch umrunde, schwenkt mein Blick ganz automatisch auf Clarissas Bürotür. Das mysteriöse Summen fällt mir wieder ein, das ich immer gehört habe. Hm. Clarissa hatte es gerade ziemlich eilig, also nehme ich nicht an, dass sie vor der großen Ansprache des Bosses noch einmal zurückkommen wird.
Ob sie in der Eile auch daran gedacht hat, ihre Tür abzusperren?
Ich tripple hastig hinüber und drücke vorsichtig den Griff. Es ist offen. Okay, dann wollen wir mal sehen. Das Büro sieht aus wie immer, perfekt aufgeräumt und so steril, als wäre es gar kein richtiges Büro, sondern der Schauraum eines Möbelhauses. Ich sehe mich schnell um, und mein Blick bleibt auf der Jalousie haften, die sich an der Wand gleich neben der Tür befindet. Neugierig trete ich näher und betrachte das Ding von allen Seiten. Schon irgendwie seltsam, wozu hängt jemand eine Jalousie an eine Wand, in der es gar kein Fenster gibt?
Ich mache einen weiteren Schritt, und dann entdecke ich ihn auf einmal: Es ist ein kleiner, flacher Schalter, halb verdeckt von der Jalousie, sodass man ihn gar nicht sehen kann, wenn man nicht direkt davorsteht. Meine Hand wandert wie von selbst nach oben und drückt darauf.
Ich erstarre. Die Jalousie beginnt ganz plötzlich nach oben zu schweben, begleitet von diesem unheimlichen, mir nur allzu bekannten Surren. Es ist wie bei meinem Wagen, nur dass diese Jalousie nicht dazu bestimmt ist, den Blick auf einen wolkenlosen Himmel freizugeben, sondern den Blick auf … mein Büro .
Der Spiegel! Der Spiegel an der Wand meines Büros ist von dieser Seite aus gar kein Spiegel, sondern ein Fenster. Clarissa hat mich die
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