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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Chance, den auszusperren, wenn er rein will.«
    3Jane kommt auch, kommt als einer der morgendlichen Besucher. Sie erscheint traurig, zaghaft.
    Bobby nimmt sie offenbar kaum wahr, aber Angie, das Gefäß so vieler ihrer Erinnerungen,
    reagiert auf diese besondere Mischung aus Sehnsucht, Eifersucht, Frust und Wut. Angie hat gelernt, 3Janes Motive zu verstehen und ihr zu verzeihen — doch was genau ist da zu verzeihen, fragt sie sich, wenn sie im Sonnenschein unter den Eichen wandelt.
    Zuweilen freilich wird Angie 3Janes Träume müde; lieber sind ihr andere Träume, insbesondere die ihres jungen Schützlings. Diese kommen oft, wenn die Spitzengardinen sich blähen, wenn die ersten Vögel singen. Sie schmiegt sich enger an Bobby, schließt die Augen, formuliert in Gedanken das Wort &RQWLQXLW\ und wartet auf die bunten Bildchen.
    Sie sieht, daß sie das Mädchen nach Jamaica in eine Klinik gebracht haben, um ihre
    Abhängigkeit von plumpen Stimulanzien zu behandeln. Nach der Feineinstellung ihres
    Stoffwechsels durch ein geduldiges Heer von Net-Ärzten strotzt sie schließlich vor Gesundheit.
    Dank ihres durch Piper Hill gekonnt modulierten Sensoriums werden ihre ersten Stims mit
    unerwarteter Begeisterung aufgenommen. Ihr weltweites Publikum ist hingerissen von ihrer
    Frische, ihrer Vitalität, ihrer entzückenden Naivität, mit der sie wie das erste Mal ihr schillerndes Leben zu entdecken scheint.
    Ein Schatten fällt zuweilen auf den fernen Monitor, aber nur für einen Moment: Robin Lanier ist erwürgt und erfroren auf der künstlichen Gipfelfassade des New Suzuki Envoy aufgefunden worden. Sowohl Angie als auch Continuity wissen, wessen lange, starke Finger den Star erwürgt und dort hingeworfen haben.
    Eins jedoch bleibt ihr verschlossen, ein spezielles Bauteil im Puzzle der Geschichte.
    Beim Schatten der Eichen im stahlblau-rosa Abendrot dieses Frankreichs, das nicht Frankreich ist, fragt sie Bobby nach der Antwort auf ihre letzte Frage.
    Sie warteten um Mitternacht in der Einfahrt, weil Bobby ihr eine Antwort versprochen hatte.
    Als die Uhren im Haus zwölf schlugen, hörte sie Reifen auf Schotter knirschen. Es war ein langer, tiefer, grauer Wagen.
    Am Steuer saß der Finne.
    Bobby öffnete die Tür und ließ sie einsteigen.
    Im Fond saß der junge Mann, den sie von dem unmöglichen Pferd mit seinen drei ungleichen
    Reitern kannte. Er lächelte ihr zu, aber sagte nichts.
    »Das ist Colin«, erklärte Bobby, der neben ihr einstieg. »Und den Finnen kennst du.«
    »Sie ahnt es nicht, hm?« fragte der Finne und legte den Gang ein.
    »Nein«, meinte Bobby, »ich glaube nicht.«
    Der junge Mann namens Colin lächelte sie an. »Das Aleph ist eine Annäherung an die Matrix«, sagte er, »quasi ein Modell des Cyberspace ...«
    »Ja, ich weiß.« Sie wandte sich an Bobby. »Und? Du hast mir versprochen, mir den Grund für die Wende zu sagen.«
    Der Finne lachte, ein gar sonderbares Geräusch. »Es gibt keinen Grund, Lady. Eher einen Anlaß.
    Erinnerst du dich, einmal hat Brigitte dir gesagt, es gebe einen andern? Ja? Nun, das ist der Anlaß, und der Anlaß ist der ganze Grund.«
    »Ich erinnere mich. Sie sagte, als sich die Matrix schließlich als solche erkannte, war da der andere ...«
    »Dahin gehn wir heut' nacht«, begann Bobby und legte den Arm um sie. »Es ist nicht weit,
    aber...«
    »... anders«, ergänzte der Finne, »total anders.«
    »Aber — was ist es?«
    »Schau«, sagte Colin und strich sich die braune Locke aus der Stirn, eine Geste wie die eines Schuljungen aus einem altertümlichen Schauspiel, »als die Matrix Empfindungsvermögen erlangte, wurde sie sich gleichzeitig einer DQGHUHQ Matrix, einer anderen Empfindung bewußt.«
    »Versteh ich nicht«, sagte sie. »Wenn der Cyberspace aus der Gesamtsumme an Daten im
    menschlichen System besteht...«
    »Ja«, sagte der Finne, der nun in den langen, geraden, leeren Highway einbog, »aber niemand redet von PHQVFKOLFK verstehst du?«
    »Der andere war woanders«, sagte Bobby.
    »Centauri«, sagte Colin.
    Wollen sie sie aufziehen? Ist das irgendein Schalk von Bobby?
    »Es ist halt schwer zu erklären, warum die Matrix sich in all den Voodoo und Scheiß
    aufgespalten hat, als sie dem anderen begegnet ist«, sagte der Finne, »aber wenn wir erst dort sind, wirst du schon dahinterkommen ...«
    »Ich persönlich meine«, sagte Colin, »daß es so unendlich lustiger ist.«
    »Schwindelt ihr mir was vor?«
    »Wir sind in einer New Yorker Minute da«, sagte der Finne.

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