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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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flaschengrünen Samtanzug und makellose spitze Wildlederschuhe, und
    Sally fand ihn in einem andern Pub, das The Rose and Crown hieß. Sie stellte ihn als Tick vor. Er war kaum größer als Kumiko und hatte ein krummes Kreuz oder eine schiefe Hüfte, so daß er stark hinkte beim Gehen, was seinen allgemein asymmetrischen Eindruck verstärkte. Sein schwarzes Haar war hinten und an den Seiten ganz kurz, aber darüber türmte sich eine ölige Lockenpracht auf.
    Sally stellte Kumiko vor. »Meine Freundin aus Japan, und laß mir die Finger von ihr.« Lächelnd führte Tick sie an einen Tisch.
    »Wie geht's Geschäft, Tick?«
    »Prima«, sagte er mürrisch. »Was macht der Ruhestand?«
    Sally setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf eine gepolsterte Bank. »Nun«, sagte sie, »so zwischendurch werd ich immer wieder aktiv.«
    Kumiko sah sie an. Ihre Wut war verflogen oder geschickt kaschiert. Während sich Kumiko
    setzte, tastete sie nach dem Gerät in der Tasche. Colin wurde neben Sally auf der Bank sichtbar.
    »Nett, daß du wieder an mich denkst«, sagte Tick und nahm einen Stuhl. »Sind zwei Jahre her, würd ich meinen.« Er warf einen vielsagenden Blick in Kumikos Richtung.
    »Die ist okay. Kennst du Swain, Tick?«
    »Nur dem Namen nach, aber das genügt.«
    Colin verfolgte den Wortwechsel gespannt und schaute hin und her wie bei einem Tennismatch.
    Kumiko mußte sich vergegenwärtigen, daß nur sie ihn sehen konnte.
    »Sollst ihn für mich durchleuchten. Er soll nichts spitzkriegen.«
    Er sah sie groß an. Die gesamte linke Gesichtshälfte zog sich langsam zu einem kräftigen
    Zwinkern zusammen. »Tja«, sagte er, »viel verlangst du überhaupt nicht, was?«
    »Zahle gut, Tick. Bestens.«
    »Suchst du was Bestimmtes, oder ist's ein Großreinemachen? Jeder weiß doch, daß er 'ne Kanone in der Branche ist. Laß mich nicht unbedingt gern von ihm in seinem Domizil ertappen ...«
    »Aber da ist ja noch das Geld, Tick.«
    Zweimaliges Zwinkern.
    »Roger trickst mich aus. Jemand trickst ihn aus. Ich weiß nicht, wie sie ihn hintergehn, das ist mir egal. Wie er mich hintergeht, das reicht. Was mich interessiert, ist, wer, wo, wann. Zapf seine Ein-und Ausgänge an. Er steht mit jemand in Verbindung, weil dieses schmutzige Geschäft sich andauernd ändert.«
    »Würd ich's spannen, wenn ich's sehen würde?«
    »Schau halt mal nach! Tu's für mich!«
    Wieder das zuckende Zwinkern. »Meinetwegen. Wir gehn's mal an.« Er trommelte nervös auf der Tischkante. »Gibst du 'ne Runde aus?«
    Colin blickte über den Tisch zu Kumiko und verdrehte die Augen.
    »Ich verstehe das nicht«, meinte Kumiko, als sie wieder hinter Sally durch die Portobello Road stapfte. »Du hast mich in eine Intrige verwickelt...«
    Sally klappte den Kragen hoch, weil's windig war.
    »Aber ich könnte dich verraten. Du treibst falsches Spiel mit dem Geschäftspartner meines Vaters. Und du hast keinen Anlaß, mir zu vertrauen.«
    »Oder umgekehrt, Kleines. Vielleicht bin ich einer von den Bösewichten, die deinem Vater
    Kopfzerbrechen bereiten.«
    Kumiko überlegte. »Bist du das?«
    »Nein. Und falls du Swains Spion bist, so ist er neuerdings sehr viel bizarrer geworden. Falls du der Spitzel deines alten Herrn bist, brauch ich Tick vielleicht gar nicht. Aber wenn der Yakuza diese Nummer abzieht, warum dann Roger als Strohmann?«
    »Ich bin kein Spion.«
    »Dann fang an, dein eigener zu sein. Falls Tokyo das heiße Eisen ist, bist du jetzt womöglich mitten im Feuer gelandet.«
    »Aber warum mich hineinziehn?«
    »Du steckst bereits drin. Du bist hier. Angst?«
    »Nein«, sagte Kumiko und verstummte, während sie sich fragte, ob dies wahr sein konnte.
    Am späten Nachmittag saß Kumiko allein in ihrer verspiegelten Mansarde auf der Kante des
    riesigen Bettes und schlüpfte aus den nassen Stiefeln. Sie nahm das Maas-Neotek Gerät aus der Tasche.
    »Was sind die?« fragte sie den Geist, der auf dem Rand der schwarzen Marmorwanne hockte.
    »Deine Pub-Bekanntschaften?«
    »Ja.«
    »Kriminelle. Ich rate dir nur, dich nicht auf ein solches Pack einzulassen. Die Frau ist
    Ausländerin. Nordamerika. Der Mann ist ein Londoner, East End. Er betreibt offenbar
    Datenklau. Ich habe keinen Zugriff zu den Polizeiakten — ausgenommen bei Verbrechen von
    historischer Bedeutung.«
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll...«
    »Dreh das Gerät um!«
    »Was?«
    »Auf die Rückseite. Da siehst du eine halbmondförmige Rille. Daumennagel rein und drehn ...«
    Ein winziger Deckel ging

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