Mona Lisa Overdrive
Kopf.
Cherry blickte zu Slick hinüber. »Hat dein Freund viel mit 'nem vollen Deck gespielt?«
»Gibt keine Vampire«, sagte Slick zu Little Bird. »So was gibt's nicht in echt, verstehst du? Nur im Stim. Der Kerl ist kein Count Dracula, okay?«
Little Bird nickte langsam, schien sich aber gar nicht so sicher zu sein, während im trüben Licht der Wind das Plastik spannte.
Er versuchte, den Vormittag über am Richter zu arbeiten, aber Little Bird war wieder
verschwunden und ständig kam ihm der Gedanke an den Typ auf der Bahre in die Quere. Es war zu kalt; er müßte 'ne Leitung runterziehn von Gentrys Bereich unterm Dach der Fabrik, ein paar Heizstrahler anschließen. Aber das bedeutete, mit Gentry um den Strom zu feilschen. Der Saft gehörte Gentry, weil Gentry es verstand, ihn der Fission Authority abzuknapsen.
Nun kam schon Slicks dritter Winter in der Fabrik, aber Gentry war schon vier Jahre hier
gewesen, als Slick dazustieß. Nachdem sie gemeinsam Gentrys Dach hergerichtet hatten, erbte Slick das Zimmer, wo er Cherry und den Mann, den Kid Afrika als Count bezeichnete, unterbrachte. Gentry vertrat die Ansicht, daß die Fabrik ihm gehörte, weil er zuerst hier war und den Strom herbrachte, ohne daß die Behörde was merkte. Aber Slick erledigte viel in der Fabrik, das Gentry nicht selber tun wollte; er sorgte beispielsweise dafür, daß was zum Essen da war, und wenn was Größeres kaputt ging, wenn's einen Kurzen gab oder der Wasserfilter den Geist aufgab, so war Slick derjenige, der das Werkzeug hatte und es richtete.
Gentry mochte keine Leute. Er verbrachte ganze Tage bei seinen Decks und FX-Orgeln und
Holoprojektoren und kam nur heraus, wenn der Hunger ihn trieb. Slick verstand nicht, was
Gentry machte, beneidete ihn aber um die Gründlichkeit, mit der er die Sache betrieb. Er ließ nichts an sich herankommen. Kid Afrika wäre nie an Gentry herangekommen, denn Gentry wäre nie nach Atlantic City rüber, um dann tief in der Scheiße zu stecken und in Kid Afrikas Schuld.
Er ging ohne anzuklopfen in sein Zimmer, wo Cherry dem Typ gerade die Brust wusch mit einem Schwamm, wobei sie weiße Wegwerfhandschuhe trug. Sie hatte den Butankocher aus dem Zimmer, wo sie kochten, heraufgetragen und in einer Edelstahlschüssel Wasser erwärmt. Er
zwang sich, in das schmale Gesicht zu blicken, dessen schlaffe Lippen gerade so weit
offenstanden, daß man gelbe Raucherzähne erkennen konnte. Es war ein Gesicht von der Straße, ein Gesicht aus der Masse, ein Gesicht, das man in jeder Bar sehen konnte.
Sie blickte zu Slick auf.
Er setzte sich auf die Kante des Bettes, wo sie seinen offenen Schlaf sack wie eine Decke ausgebreitet und das zerrissene Ende unter die Schaumstoffmatratze gesteckt hatte.
»Haben zu reden, Cherry. Brauche Klarheit, nicht?«
Sie drückte den Schwamm über der Schüssel aus.
»Wie bist du zu Kid Afrika gekommen?«
Sie steckte den Schwamm in eine verschließbare Tüte und verstaute sie in der schwarzen
Nylontasche aus Kids Hover. Er beobachtete sie und sah, daß sie keine unnötige Bewegung
machte und bei ihren Verrichtungen offenbar nicht zu überlegen brauchte. »Kennst du einen Laden mit dem Namen Moby Jane's?«
»Nein.«
»Rasthaus, Nähe Interstate Highway. Ich hatte einen Freund, der war Manager dort, hatte den Job seit etwa vier Wochen, als ich zu ihm zog. Moby Jane ist bloß'n Monstrum; flackt hinterm Lokal in einem Tank mit einem Tropf, Nährlösung i.V., im Arm, WRWDO eklig. Ich zieh also, wie gesagt, zu meinem Freund Spencer dort, dem neuen Manager, weil ich Ärger mit meinem Schein hatte in Cleveland und momentan nicht arbeiten konnte.«
»Was für Ärger?«
»Das hEOLFKH okay? Willst die Geschichte jetzt hören oder nicht? Spencer weiht mich also in den fürchterlichen Zustand der Besitzerin ein, klar? Mir ist also nur lieb, wenn keiner weiß, daß ich ein Med-Tech bin, denn sonst stecken sie mich da raus, und dann kann ich die Filter an ihrem Tank wechseln und Nährlösung in die zweihundert Kilo eines halluzinierenden Psychotikers pumpen. Also lassen sie mich bedienen, Bier zapfen. Ist okay. Läuft gute Musik für mich da drin.
Geht nicht gerade sanft zu in dem Laden, aber das ist okay, weil alle wissen, daß ich zu Spencer gehöre. Bis ich eines Tages aufwache und Spencer fort ist. Es stellt sich heraus, daß er mit einem Batzen Geld durchgebrannt ist.« Sie trocknete beim Erzählen die Brust des Schlafenden mit einem dicken Bausch eines saugfähigen weißen
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