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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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nachzugeben, und sie glaubte, in Ohnmacht zu fallen, aber dann brachte das Wiz ein Kunststück fertig, und sie hockte im Schein der untergehenden Sommersonne auf dem dreckigen Hof des Alten, und in den schieferigen grauen Boden war das Spiel gekritzelt, das sie gespielt hatte, aber jetzt hockte sie nur da und starrte geistesabwesend an den Verstrebungen der Becken vorbei zu einem Brombeergestrüpp über einem zerbeulten Chassis, wo Glühwürmchen schwebten. Hinten schien es hell aus dem
    Haus, und sie konnte das Maisbrot im Backherd und den Kaffee riechen, den er immer wieder aufkochte, bis der Löffel steckenbliebe, wie er sagte. Er war im Haus und las in einem seiner Bücher, den spröden braunen Seiten, die kein Eselsohr hatten. Er bekam sie in alten Plastiktüten, und manchmal zerfielen sie einfach zu Staub in seinen Händen, aber wenn er was fand, das er aufbewahren wollte, dann holte er den kleinen Taschenkopierer aus der Schublade, legte die Batterien ein und führte ihn über die Seiten. Sie sah gern zu, wie die druckfrischen Kopien herauskamen mit diesem besonderen Geruch, der bald nachließ, aber er hatte ihr nie erlaubt, das Gerät zu benutzen. Manchmal las er laut vor, mit einem Zögern in der Stimme wie einer, der nach langer Zeit wieder zu einem Instrument greift. Es waren keine Geschichten, die er vorlas, Geschichten mit einem Schluß oder einer witzigen Pointe. Sie waren wie Fenster in etwas höchst Wunderliches; er versuchte nie, es irgendwie zu erklären, verstand es wohl selber nicht. Verstand vielleicht niemand ...
    Plötzlich rückte die grelle Straße wieder ins Bild.
    Sie rieb sich die Augen und hustete.
     
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    »Bin jetzt soweit«, sagte Piper Hill, die mit geschlossenen Augen im lässig ausgeführten
    Lotussitz auf dem Teppich saß. »Berühr die Decke mit der linken Hand.« Acht dünne Kabel
    führten von den Buchsen hinter Pipers Ohr zum Gerät, das auf ihren sonnengebräunten
    Oberschenkeln lag.
    Angie im weißen Frotteemantel auf der Bettkante, der blonden Technikerin zugewandt. Über der Stirn wie eine hochgezogene Augenbinde das schwarze Testgerät. Sie tat, was ihr gesagt wurde, und ließ die Fingerkuppen leicht über die rohe Seide und das ungebleichte Leinen der zerknüllten Tagesdecke gleiten.
    »Gut«, sagte Piper, mehr zu sich selbst als zu Angie, wobei sie etwas auf der Tafel berührte.
    »Noch mal.« Angie spürte das Gewebe vergrößert unter ihren Fingerkuppen.
    »Noch mal.« Wieder neu eingestellt.
    Sie konnte nun die einzelnen Fasern unterscheiden, Seide von Leinen trennen ...
    »Noch mal.«
    Ihre Nerven zuckten, als ihre geschundenen Fingerkuppen über Stahl-und Glaswolle scheuerten
    ...
    »Optimal«, meinte Piper und riß die blauen Augen auf. Sie zog ein kleines Elfenbeinfläschchen aus dem Ärmel ihres Kimono, nahm den Stöpsel ab und reichte es Angie.
    Mit geschlossenen Augen roch Angie vorsichtig daran. Nichts.
    »Noch mal.«
    Irgend etwas Blumiges. Veilchen?
    »Noch mal.«
    Ihr Kopf füllte sich mit einem Treibhausgeruch, von dem ihr übel wurde.
    »Geruchssinn erhöht«, sagte Piper, als der würgende Gestank nachließ.
    »Nicht gemerkt.« Sie schlug die Augen auf. Piper reichte ihr ein rundes weißes Papierschnitzel.
    »Solange es nicht Fisch ist«, meinte Angie und leckte an der Fingerspitze. Sie berührte das Papierschnitzel und führte den Finger zum Mund. Nach einem dieser Tests von Piper hatte sie mal vier Wochen kein Fischgericht mehr essen können.
    »Es ist nicht Fisch«, erklärte Piper lächelnd. Sie trug das Haar kurz, eine kompakte kleine Haube, die den Graphitglanz der hinter den Ohren eingesetzten Buchsen herausstellte. Silizium-Jeanne dArc, hatte Porphyre sie genannt, und ihre Arbeit schien ihre Leidenschaft zu sein. Sie war Angies persönliche Technikerin und galt als der beste Störungssucher von Net.
    Karamel...
    »Wer ist sonst noch da, Piper?« Nachdem die Einleitung fertig war, steckte Piper die Tafel in eine passende Nylonhülle und zog den Reißverschluß zu.
    Angie hatte vor einer Stunde einen Helikopter landen hören; hatte Gelächter gehört, Schritte auf der Terrasse, während der Traum verebbte. Sie hatte den Versuch aufgegeben, wie üblich eine Bestandsaufnahme zu machen vom Schlaf -- falls man von Schlaf sprechen konnte, wenn die Erinnerungen von der andern hereinströmten, sie ausfüllten und in Bereiche sickerten, in die sie nicht vordringen konnte, so daß nur die Nachbilder blieben ...
    »Raebel«, sagte Piper,

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