Mona Lisa Overdrive
verwendete er Wörter und Begriffe, die Slick nicht ohne weiteres kapierte, aber Slick wußte aus Erfahrung, daß es problemloser war, ihn nicht zu unterbrechen; der Trick dabei war, seinen Ausführungen insgesamt zu folgen und über unverständliche Punkte hinwegzusehen.
Gentry sagte, der Count sei an ein ausgewachsenes Microsoft angeschlossen; er hielt den Kasten für einen einzigen massiven Biochip. Wenn das stimmte, war die Speicherkapazität buchstäblich unbegrenzt; so was herzustellen wäre unvorstellbar teuer. Es sei, meinte Gentry, sowieso merkwürdig, daß jemand überhaupt so was baue, obwohl es, wie das Gerücht gehe, solche Dinger schon gebe und sie im Einsatz seien, inbesondere in der Speicherung gewaltiger Datenberge der geheimen Kategorie. Ohne Verbindung zur globalen Matrix waren die Daten immun gegenüber jeglichem Angriff via Cyberspace. Der Haken dabei war natürlich, daß man via Matrix keinen Zugang hatte; es war ein toter Speicher.
»Er könnte alles mögliche drin haben«, sagte Gentry, der stehenblieb und das Gesicht des Bewußtlosen betrachtete. Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt wieder auf und ab. »Eine Welt. Ganze Welten. Beliebig viele konstruierte Persönlichkeiten ...«
»Als würde er in einem Stim leben?« fragte Cherry. »Ist er darum ständig in REM?«
»Nein«, erwiderte Gentry, »es ist kein Simstim. Total wechselwirkend. Und 'ne ganz andre Größenordnung. Wenn das Biosoft der Aleph-Klasse ist, kann er alles x-beliebige da drin haben.
$OOHV XQG LQ DQQlKHUQGHU *OHLFKKHLW...«
»Ich hab irgendwie mitgekriegt von Kid Afrika«, sagte Cherry, »daß der Typ dafür bezahlt, so zu bleiben. So'ne Draht-im-Kopf-Geschichte, aber doch anders. Und außerdem hat'n Drahtkopf nicht so'n REM ...«
»Aber als du versucht hast, es über dein Gerät herauszuholen«, bemerkte Slick, »hast du dieses ...
dieses Ding gekriegt.« Er sah, wie Gentry die Schultern unterm perlenbesetzten schwarzen Leder einzog.
»Ja«, sagte Gentry, »und jetzt muß ich unser Konto bei der Fission Authority bereinigen.« Er deutete auf die wiederaufladbaren Batterien, die unterm Stahltisch gestapelt waren. »Raus damit!«
»Ja«, sagte Cherry, »das wird Zeit. Ich frier mir langsam den Arsch ab.«
Gentry beugte sich über ein Cyberspace-Deck, als sie in Slicks Zimmer gingen. Cherry hatte darauf bestanden, daß sie Gentrys Heizdecke an eine der Batterien anschlössen, damit sie sie über die Bahre breiten konnte.
Es stand noch kalter Kaffee auf dem Butankocher; Slick trank ihn, ohne ihn lange aufzuwärmen, während Cherry durchs Fenster auf das weite Solitude schaute mit den weißen Schneetupfern.
»Wie ist es entstanden?« fragte sie.
»Gentry sagt, es war 'ne Auffüllaktion vor hundert Jahren. Obendrauf kam eine Schicht Muttererde, aber es wollte nichts wachsen. Der Schutt zum Auffüllen war oft giftig. Regen schwemmte die Erde ab. Da haben sie wohl einfach aufgegeben und mehr Schutt draufgekippt.
Das Wasser hier kann man nicht trinken. PCB-verseucht und dergleichen.«
»Und was ist mit den Kaninchen, die Bird-Boy jagen geht?«
»Die sind westlich von hier. Auf Solitude gibt's keine. Nicht mal Ratten sieht man hier.
Jedenfalls muß man alles Fleisch von hier testen.«
»Vögel gibt's auch.«
»Die brüten hier nur, fressen woanders.«
»Wie steht's mit dir und Gentry?« Sie schaute immer noch zum Fenster hinaus.
»Meinst'n das?«
»Mein erster Eindruck war, daß ihr schwul seid. Miteinander, meine ich.«
»Nein.«
»Aber irgendwie braucht ihr einander, habe ich das Gefühl...«
»Es ist seine Bude hier, seine Fabrik. Läßt mich hier wohnen. Ich ... muß hier leben, um arbeiten zu können.«
»Die Dinger drunten bauen?«
Die Birne in dem gelben Fax-Kegel ging an, der Ventilator im Heizlüfter legte sich in die Runde.
»Tja«, sagte Cherry, die sich vor den Heizlüfter hockte und eine Jacke nach der andern aufmachte, »auch wenn er spinnt, das hat er gut gemacht.«
Gentry saß auf dem alten Bürostuhl, als Slick in den Dachboden kam, und schaute auf den kleinen klappbaren Monitor an seinem Deck.
»Robert Newmark«, sagte Gentry.
»Hm?«
»Retina-Identifizierung. Das ist entweder Robert Newmark oder jemand, der seine Augen erworben hat.«
»Wie hast du das rausgekriegt?« Slick beugte sich vor und blickte auf den Bildschirm voller Geburtsdaten.
Gentry ignorierte die Frage. »Da. Drück, und du landest ganz woanders!«
»Wie das?«
»Jemand will wissen, ob Erkundigungen über
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