Mona Lisa Overdrive
war tiefrot. Die Metallzacken des Schockers sprühten weiße Funken, als die Frau das Ding gegen sein nasses blaues Hemd drückte.
Prior schrie auf.
Gerald mußte auf allen vieren kriechen, um sie unter dem Bett hervorzuziehen. Er hatte kühle, sehr sanfte Hände. Sie wußte nicht mehr, wie sie unters Bett geraten war, aber jetzt war alles still. Gerald hatte einen grauen Mantel an und eine dunkle Brille auf.
»Du gehst jetzt mit Molly, Mona«, sagte er.
Sie fing zu zittern an.
»Ich glaube, ich geb dir besser was für die Nerven.«
Sie zuckte zurück, entwand sich damit seinem Griff. »Nein! Faß mich bloß nicht an!«
»Laß mal, Gerald«, sagte die Frau von der Tür. »Es wird Zeit, daß du gehst.«
»Du weißt wohl nicht, was du tust«, sagte er, »trotzdem viel Glück.«
»Danke. Meinst du, du findest hin?«
»Ja. Ich wollte mich sowieso bald zurückziehen.«
»Ich auch«, sagte die Frau, und dann ging Gerald, der Mona nicht mal mehr zunickte.
»Hast du was zum Anziehen?« fragte die Frau. »Dann mach! Wir müssen auch los.«
Beim Anziehen stellte Mona fest, daß sich das Kleid nicht mehr schließen ließ über dem neuen Busen, also ließ sie es offen, schlüpfte in Michaels Jacke und zog den Reißverschluß bis zum Hals zu.
*HVHOOVFKDIW
Manchmal brauchte er sich nur hinzustellen und zum Richter aufzuschaun oder sich auf den
Beton zu hocken neben die Hexe. Das half gegen das Gedächtnis-Stottern. Nicht gegen die
Aussetzer, die richtigen Rückfälle, sondern gegen das löchrige, verschwommene Gefühl, als würde der Zeitfaden im Kopf ständig reißen, so daß ihm Erinnerungsbruchteile verloren gingen ... Also tat er das jetzt, und es wirkte, und schließlich merkte er, daß Cherry neben ihm war.
Gentry war droben unterm Dach bei der Gestalt, die er zu fassen bekommen hatte in Form eines Makroform-Knotens, wie er's nannte, und hatte kaum hingehört, als Slick vom Haus und all dem und von Bobby the Count zu berichten versuchte.
Also war Slick runtergestiegen und hatte sich zu einem Schergen gehockt im Dunkeln, Kalten, und rekonstruierte all das, was er mit so vielen verschiedenen Werkzeugen gemacht und wo er jedes Teil aufgetrieben hatte, und dann griff Cherry nach ihm und berührte mit der kalten Hand seine Wange.
»Bist du okay?« fragte sie. »Ich dachte, du kriegst vielleicht wieder so was ...«
»Nein. Es ist nur so, daß ich manchmal hier runterkommen muß.«
»Er hat dich in die Kiste des Count eingesteckt, nicht wahr?«
»Bobby«, sagte Slick. »So heißt der. Ich hab ihn gesehn.«
»Wo?«
»Da drin. Es ist eine ganze Welt. Da ist so'n Haus wie ein Schloß oder so, und da ist er drin.«
»Allein?«
»Er sagt, Angie Mitchell ist auch bei ihm ...«
»Vielleicht spinnt er auch. War sie's?«
»Gesehn hab ich sie nicht. Sah ein Auto, das laut Bobby ihr gehört.«
»Sie ist in einer Entgiftungsklinik für Prominente in Jamaica, wie ich zuletzt gehört hab.«
Er zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
»Wie sieht er aus?«
»Er sah jünger aus. Jeder sieht schlecht aus mit all den Schläuchen drin und so'm Kram. Er meint, Kid Afrika hat ihn hier abgesetzt, weil er Schiß gekriegt hat. Er sagt, kommt ihn jemand suchen, stecken wir ihn die Matrix ein.«
»Warum?«
»Weiß nicht.«
»Hättest ihn fragen sollen.«
Wieder zuckte er die Achseln. »Haste Bird irgendwo gesehn?«
»Nein.«
»Sollte längst zurück sein ...« Er stand auf.
Little Bird kam bei Anbruch der Dämmerung zurück auf Gentrys Motorrad. Die dunklen
Haarbüschel waren feucht vom Schnee und wedelten hintendrein, als er mit einem Affenzahn in Solitude einfuhr. Slick zuckte zusammen; Little Bird hatte den falschen Gang drin. Little Bird raste eine Halde aus gepreßten Ölfässern hinauf und bremste, wo er hätte Gas geben sollen.
Cherry sperrte den Mund auf, als Bird und Bike sich in der Luft voneinander lösten; das Bike schwebte sekundenlang dahin, um dann im Salto auf einem rostigen Stahlblechhaufen, einer früheren Vorhalle der Fabrik, zu landen, während Little Bird Purzelbäume schlug.
Slick hörte die Maschine nicht mehr aufschlagen. Er stand neben Cherry im Schutz eines türlosen Ladetors — dann rannte er über Schnee und Rost zum verunglückten Fahrer — ohne Reaktionsverzögerung. Little Bird lag auf dem Rücken, hatte Blut an den Lippen, die teilweise unter dem Dschungel aus Amuletten und Riemen, den er um den Hals trug, verdeckt waren.
»Faß ihn nicht an!« sagte Cherry. »Hat sich vielleicht die
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