Mond der Unsterblichkeit
Revenant zu vernic h ten, als er eine vertraute Stimme aus der Ferne hörte.
„Denke daran, alles, was du siehst, kann ein Trugbild sein, das dich zu dunklen Gedanken und Taten anregen soll.“
Es war Hermits Stimme, die von irgendwoher zu ihm drang. Aber der Stachel der Eifersucht bohrte sich dennoch tiefer, und als Amber auch noch ihre Arme um Revenants Nacken schlang, machte sie ihn rasend. Offe n sichtlich war sie bereit, sich dem Vampir hinzugeben, mit ihm all das zu teilen, was auch Aidan mit ihr geteilt hatte. Revenant küsste A m bers Halsbeuge.
„Dein Blut duftet köstlich“, flüsterte er, und schnupperte an ihrer Kehle.
Dieser Vampir würde ihr das Blut aussaugen, bis ihr Herz zu schlagen aufhö r te. Amber durfte nicht sterben.
„Lass sie leben. Nimm mich an ihrer Stelle“, flehte er den Vampir an.
Revenant lachte laut. „Du würdest dich für sie opfern?“
„Ja, trink von meinem Blut und lass sie gehen.“
„Welche Torheit von dir, dich aus Liebe opfern zu wollen. Du weißt nicht, welche Qualen dich erwarten.“
Der Vampir ließ abrupt von Amber ab. Dann packte er Aidan an den Schu l tern und beugte sich über dessen Kehle. Aidan spürte den kalten Atem des Vampirs auf seiner Haut. Er schloss die Augen. Ja, er war bereit, für Amber zu sterben und alle Qualen auf sich zu nehmen.
Wie scharfe Messer schnitten sich die Zähne des Vampirs in Aidans Hal s schlagader. Genüsslich saugte Revenant das Blut aus seinen A dern. Mit jedem Zug wich Aidans Lebensenergie. Der Biss brannte wie Feuer. Bald wäre es mit ihm vorbei. Doch unerwartet hielt Rev e nant inne.
„Spürst du den Schmerz? Willst du dich immer noch für sie o p fern?“, flüsterte er ihm ins Ohr.
Aidan nickte schwach.
„Ich ließe dich frei, wenn sie meine Gefährtin wird. Willst du es wir k lich?“
Aidan stöhnte auf. „Ja.“
„Dann gehört deine Seele von nun an mir.“
Und wieder nickte Aidan. Er opferte sein Leben, seine Seele für A m ber. Sein Tod besaß einen Sinn. Die Zähne des Vampirs bohrten sich erneut in seinen Hals. Aidan hoffte, der unerträgliche Schmerz, der sich durch seinen Körper zog, möge ein Ende nehmen.
Revenant ließ erneut von ihm ab, aber nur, um Aidans Mund zu öffnen. Dann sog sein Atem die Seele aus Aidans Leib. Hilflos musste Aidan mit ansehen, wie seine Seele, einer weißen Atemwolke äh n lich, aus seinem Mund schwebte, und von Revenants Hand aufgefa n gen wurde. Revenant hob seine Hand und öffnete sie. Aidans Seele schwebte weiter zum schwarzen Meer, um darin zu versinken. Dort schwamm sie neben unzähligen anderen. Sie wollte emporsteigen, doch der See hielt sie g e fangen.
„Von jetzt an wird deine Seele im Meer der verlorenen Seelen schwimmen“, sagte Revenant.
Aidan spürte, wie sein Herz stehen blieb und wusste, er würde Amber nie mehr wiedersehen. Trauer erfüllte sein Herz, bis zu dem Moment, in dem er in tiefe Dunkelheit versank.
Aidans Kopf schien zu platzen. Ein süßer Duft drang in seine N a se. Mühsam schlug er die Augen auf. Er lag auf hartem Boden. Jedes Körperteil schmerzte bei der kleinsten Bewegung. Es brauchte einen M o ment, bis er wusste, wo er sich befand. Er lag in der Kammer. Also lebte er noch. Alles wirkte ruhig, als wäre nichts geschehen. Hatte er das alles nur geträumt? Oder war er wirklich in der Schattenwelt gewesen? Mühsam erhob er sich und suchte seinen Hals nach Bis s wunden ab, konnte aber zu seiner Erleichterung nichts entdecken. Nur seine Kehle schmerzte. So nah hatte er sich dem Tod noch nie gefühlt, wie in den vergang e nen Minuten oder gar Stunden. Er rieb seinen steifen Nacken. Seine Augen suchten den Raum nach dem Schwert ab. Vor seinen Füßen lag eine we i ße Lilie, deren intensiver Duft den gesamten Raum erfüllte. A i dan hockte sich hin, hob die Lilie auf und atmete ihren süßen Duft ein. Sie erinnerte ihn an Friedhöfe. Weiße Lilien gehörten zum Gra b schmuck. Seine Mutter hatte ihm früher immer von den Engeln erzählt, wenn sie an einem frisch aufgeschütteten Grab mit Liliengestecken vo r übergegangen waren.
„Siehst du die Lilien, Aidan? Sie sind so rein und weiß wie Gabriel“, hörte er Mutters Worte.
Das Symbol für Gabriel war die weiße Lilie. Und das Schwert g e hörte Gabriel. Er drehte die Blume in seiner Hand, die zu leuchten begann, und sich in das Schwert verwandelte. Staunend betrachtete Aidan die prach t volle Waffe in seiner Hand, deren Klinge so glänzte, dass er sich darin
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