Mond der Unsterblichkeit
Eremit sollte das Schwatzen lieber gegen Taten eintauschen. Wütend fu n kelte Amber ihn an. „Gordons Tod ist tragisch. Aber er hat es nicht anders ve r dient. Wer sich mit den bösen Mächten einlässt, muss mit so was rechnen. Wie konnte er nur glauben, Revenant würde ihm den Kuss der Unsterblichkeit schenken?“
„Ist es wirklich so, Hermit, dass wir Menschen das Blut eines Va m pirs trinken müssen, um unsterblich zu werden?“, fragte Kevin.
Hermit nickte. „Ja, so ist es.“
„Sind Sie selbst schon einmal einem Vampir begegnet?“, fragte K e vin weiter.
Wieder nickte Hermit.
„Wann?“
„Vor vielen Jahren. Ich wusste nichts von Vampiren. Es war in einem Pub in Aberdeen. Ein Kerl, ganz in Schwarz gekleidet, stand am Tresen. Er stand ei n fach nur so da und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Das mis s fiel zwei stämmigen Kerlen am Tresen. Sie forderten von ihm, er solle den Pub verlassen. Doch der Mann in Schwarz weigerte sich. Es kam zu einer Prügelei, bei der er mittendrin auf seltsame Weise spurlos ve r schwand. Der Wirt setzte die beiden Raufbolde vor die Tür. Wenig später, auf meinem Nachhauseweg, fand ich ein paar Straßen weiter die beiden Kerle. Tot in einer riesigen Blutlache. J e mand hatte ihnen die Halsschlagader durchtrennt. Der eine war besonders zug e richtet, sein linkes Ohr fehlte und eine Wunde klaffte vom Hals bis zur Brust. Als ich zur Tel e fonzelle rannte, um die Polizei anzurufen, erkannte ich im Schein der Straßenbeleuc h tung den Mann in Schwarz. Riesige Zähne ragten aus seinem Mund und Blut rann ihm über das bleiche Kinn. In seinen Augen blitzte es gierig auf, als er mich sah. Ich sollte das nächste Opfer werden. Da rannte ich, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Wie durch ein Wunder bin ich en t kommen. Auch er war der Schattenwelt auf irgendeine Weise entkommen. Seit dem b e schäftige ich mich intensiv mit den alten Legenden über Vampire und stieß auf die Geschichte William Macfa r lanes.“
„Oh, Mann, völlig abgefahren!“, rief Kevin aus.
Da war er wieder, der coole Kevin, wie Amber ihn kannte. Aber es währte nur einen Moment. Ein Schatten flog über die eben noch intere s sierte Miene ihres Bruders.
„Und ich dachte immer, so was gibt’s nur in Gruselfilmen“, setzte er nach. Es herrschte eine beklemmende Stille, die Amber unterbrach.
„Wir sollten jetzt gehen.“
Alles in ihr schrie verzweifelt nach Aidan. Hoffentlich kehrte er im Hellen z u rück. Außerdem schmerzte ihr Arm. Sie hatte in der letzten Nacht des Wartens den Pulloverärmel hochgeschoben, um die Wunde zu reinigen. Zu ihrem E r staunen existierte keine Brandblase oder sonst i ge Wunde. Nur ein schwarzer Fleck war an ihrem Arm zu sehen. Ein brennender Schmerz ging von ihm aus und erstreckte sich bis zu ihrem Herz. Von einem leichten Schwindelgefühl e r fasst, schwankte sie auf dem Stuhl.
„Geht es Ihnen nicht gut, Amber?“, hörte sie wie durch einen Schleier die Stimme des alten Eremiten.
„Doch, das war nur alles ein wenig zu viel für mich“, antwortete sie schwach.
„Am besten, Sie suchen das Bad auf, bevor Sie gehen, und kühlen Stirn und Nacken.“
„Gute Idee. Danke.“
Schwankend ging sie ins Bad. Sie fühlte sich so schwach, als hätte sie Fieber. Dann hielt sie die Hände unter den kühlen Wasserstrahl und benetzte ihr G e sicht. Es tat gut. Sie streifte den Ärmel hoch, um den Fleck zu betrachten. E r schrocken stellte sie fest, dass dieser seit gestern gewachsen war. Sie blickte in den Spiegel, und ihr Spiegelbild verschwamm. Amber schloss die Augen. Ihr Kreislauf spielte anscheinend verrückt. Als sie die Augen wieder öffnete, funke l ten sie aus dem Spiegel rotglühende Augen an. Mit einem Aufschrei wich sie zurück. Doch schon war das Bild verschwunden. Halluzinationen. In ihrem Kopf hämmerte es. Sie brauchte dringend eine Kopfschmerztablette und Schlaf. Dann würde es ihr wieder besser gehen. Sie trocknete mit einem Handtuch ihr Gesicht. Noch einmal sah sie in den Spiegel, und dieses Mal erkannte sich darin wie immer. Das Schwindelgefühl hatte nac h gelassen.
Nachdem sie sich von Hermit verabschiedet hatten, brach Amber mit Kevin zum Schloss auf. Der Alte versicherte ihnen, dass sie bei Tageslicht vor den Vampiren sicher waren. Als Amber ihm ihren Zweifel mitteilte, drückte er ihnen einen der be i den Runensteine in die Hand, die vor seiner Haustür lagen. Amber wollte gerade ablehnen, als er ihr mit seinem üblichen „Passt
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