Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mond der verlorenen Seelen

Mond der verlorenen Seelen

Titel: Mond der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
Vom Netzwerk:
im Windzug, der Eingang zu einem der unterirdischen Closes Edinburghs. Hier vernahm Amber die Stimmen der Toten, die damals an der Pest elend zugrunde gegangen waren. Sie schüttelte den Kopf, um die Stimmen zu vertreiben. Die Gabe, Erinnerungen zu fühlen, war ein Fluch.
    Irgendwo vor ihr klappte eine Tür. Beth!
    Sie verdoppelte ihr Tempo. Vor einem Haus mit der Nummer 5 blieb sie stehen, an dessen Eingangstür ein Kranz aus Immergrün im Wind schaukelte. Hier musste Beth hineingegangen sein.
    Was tat sie hier eigentlich?
    Kevin hatte recht, sie könnte morgen noch einmal versuchen, Beth zu erreichen oder aufzusuchen, anstatt ihr durch düstere Straßen hinterher zu rennen. Sie hob die Faust und wollte anklopfen, als sich im gleichen Moment die Tür öffnete.
    „Hallo? Beth?“ Sie streckte die Hand aus und stieß die Tür weiter auf. Eine Glühbirne baumelte von der Decke und spendete nur spärliches Licht. Amber zögerte, sie spürte ihren Puls in der Kehle pochen. Wenn sie eine Erklärung haben wollte, dann jetzt. Diese ganze Verfolgung war lächerlich. Ihre Neugier besiegte die Angst. Beherzt trat sie einen Schritt vor und lauschte.
    Gefahr echoten Stimmen, die Amber ignorierte. Lass dich nicht verrückt machen, vertraue deinem Spürsinn und deiner Gabe, sagte sie sich und wagte einen weiteren Schritt. Sie hatte nicht vor, sich erneut täuschen zu lassen. Aber sie spielte das Katz-und-Maus-Spiel weiter mit.
    „Beth? Komm schon, lass das alberne Verstecken. Ich weiß genau, dass du da drin bist. Ich möchte doch nur mit dir reden, wegen des Jobs.“ Nur mühsam unterdrückte Amber das Zittern in ihrer Stimme.
    Eilige Schritte in der Dunkelheit ermutigten sie, weiterzugehen. Kaum war sie durch die Tür getreten, fiel diese hinter ihr ins Schloss. Amber wirbelte herum, das Blut rauschte in ihren Ohren. Eiseskälte hüllte sie plötzlich ein, als hätte sie einen Gefrierschrank betreten.
    Dämonen! Also doch. Ihr Atem bildete weiße Wolken, und auf ihrer Haut kribbelte eine Gänsehaut. Sie umfasste den Knauf und drehte ihn entgegen dem Uhrzeigersinn, aber die Tür ließ sich nicht öffnen, weshalb sie es in die andere Richtung probierte, mit dem gleichen Erfolg. Dann rüttelte sie an der Tür. Aber die blieb verschlossen. Na, toll, jetzt saß sie hier auch noch fest. Kevin würde sich Sorgen machen. Vielleicht war er ihr gefolgt.
    Sie würde sich von den Dämonen nicht einschüchtern lassen. Wenn sie schon hier eingesperrt war, würde sie sich auch umsehen. Sie schloss die Augen und horchte in sich hinein. Ein Dämon befand sich ganz in ihrer Nähe und versetzte ihre Sinne in Alarmbereitschaft. Was hatte Beth mit Dämonen zu tun? Hatte sie sich etwa mit ihnen eingelassen? Oder war ihnen zum Opfer gefallen?
    Amber öffnete die Augen. Sie stand in einer kleinen, schmucklosen Halle, in der ein sechs Fuß großer Mann Schwierigkeiten hätte, aufrecht zu stehen. Der Boden war naturbelassen, kein Fenster führte nach draußen. Am anderen Ende, wenn man durch einen Rundbogen trat, führten Stufen hinab in die Dunkelheit. Der Anblick erinnerte an den Tower Londons und seine Verliese, in denen die Todgeweihten auf ihre Hinrichtung warteten.
    „Amber Stern, du musstest natürlich wieder auf Dämonen hereinfallen“, murmelte sie vor sich hin und biss die Zähne zusammen.
    Eine Gestalt trat ins Licht, in der Amber Beth erkannte.
    „Na endlich, was hast du mit Dämonen zu tun? Und wo zum Teufel bist du heute Nachmittag gewesen, als ...“ Amber verstummte abrupt beim Anblick der glitzernden Pupillen ihres Gegenübers. Sie hatte einen Dämon vor sich, der entweder in Beths Körper steckte oder seine Gestalt wandeln konnte. Beides war gefährlich.
    „Wie dumm ihr Sterblichen doch seid, dass man euch ohne viel Mühe anlocken kann, wie das Licht die Motten. Man braucht nur in die Trickkiste zu greifen, die Gestalt von euch anzunehmen und ihr fallt darauf rein.“
    Der Klang der ungewohnt tiefen Stimme jagte Schauder Ambers Rücken hinab.
    „Ich bin dir bewusst gefolgt, Dämon. Was hast du mit Beth gemacht? Rede!“
    Im selben Augenblick begann Beth, sich zu verwandeln, die Konturen ihres Körpers wurden schwammig und formten sich zu einem anderen Wesen, als blicke man durch ein Kaleidoskop. Amber wich zurück, bis sie die Tür ertastete. Der Dämon strotzte vor Hässlichkeit, mit einem dickleibigen Körperbau und schuppiger Haut, die etwas von einem Krokodil hatte. Spitze Zähne hinter wulstigen Lippen rundeten das

Weitere Kostenlose Bücher