Mond-Elfe
mich entführt haben«, entgegnete der Zentaur. »Ich fürchte sehr, diese hier sind schlimmer.«
»Schlimmer? Sind denn nicht alle gleich schlimm?«
»Nein. Einige Stämme sind weniger schlimm als andere. Godiva hat mich nicht grausam behandelt. Tatsächlich hat sie gerade nach einem bequemeren Weg im Norden gesucht, als du mich gerettet hast. Diese Kobolde hier sind brutal, und sie gehen nach Süden.«
»Wo ist dann die andere Gruppe?«
»Ich nehme an, daß sie sich versteckt halten. Kobolde kommen nicht unbedingt gut miteinander aus. Vielleicht erleiden die anderen das gleiche Schicksal wie wir, wenn sie gefangengenommen werden.«
»Denkst du, ich habe dich nur gerettet, um dich in noch größere Schwierigkeiten zu bringen?« fragte sie ärgerlich.
»Das wäre eine unfaire Behauptung. Du hast versucht, mir zu helfen, und dabei kein Glück gehabt.«
»Das sehe ich nicht so!« erklärte sie.
Der Kobold, der sie hielt, riß an dem Strick, so daß sie zur Seite taumelte. »Kein Gemaule auf den billigen Plätzen!« schnappte er.
Jenny konnte nur hoffen, daß Sammy Hilfe gefunden hatte und daß diese Helfer sie und Che finden würden, bevor die brutalen Kreaturen sie wer-weiß-wohin schleppten.
Die Kobolde stießen bald auf einen gut ausgetretenen Pfad und trieben sie mit großer Eile vor sich her. Es war so, als wenn sie sich ein wenig außerhalb ihres Gebiets aufhielten und sich unsicher fühlten. Das, gepaart mit Ches Aussage, daß es nicht dieselben waren wie die, die sie vorher gefangen gehalten hatten, ließ sie darüber herumrätseln, was hier vor sich ging. Sie wußte so gut wie nichts über Kobolde, hatte aber irgendwie vorausgesetzt, daß sie alle gleich waren: elfengroße Ungeheuer. Sicherlich war ihr Godivas Trupp schon als sehr bösartig vorgekommen. Wenn diese hier noch schlimmer waren…
Ihre Füße wurden vom anhaltenden Marsch immer müder und müder. Schon bevor das hier passierte, war sie zu viel auf den Beinen gewesen. Außerdem wurde es jetzt dunkel. Aber sie hatte keine Wahl, sie mußte weitergehen, sonst würde sie einfach am Hals fortgezerrt werden. Che schien es nicht besser zu gehen. Er hatte zwar vier Beine, dafür aber auch mehr Gewicht.
Schließlich kamen sie spät am Abend zum Dorf der Kobolde. Es lag an einem dunklen See und bestand aus rohen Erd- und Steinhütten, die in einem Halbkreis angelegt waren. Die Kobolde trieben eine Holzstange in den festgestampften Erdboden und knoteten die Seile daran, mit denen Jenny und Che gefesselt waren. Jetzt waren sie sozusagen an die Kette gelegt.
Da erblickte Jenny etwas am Himmel. Es war riesig und grünlich-weiß. »Was ist das?« fragte sie erstaunt.
Che starrte hinauf. »Oh, das ist nur der Mond. Er ist jetzt fast voll.«
»Der Mond? Aber er ist so groß! Wo ist der andere?«
Seine Braue hob sich. »Der andere was?«
»Der andere Mond! Der kleine.«
»Es gibt keinen anderen Mond. Dies ist der einzige. Er kommt nur in der Nacht heraus, außer wenn er am größten und fettesten ist. Dann hat er den Mut, sich auch am Rande des Tages zu zeigen. Er ist aus grünem Schimmelkäse gemacht und würde verderben, wenn er zu sehr erhitzt wird. Im Gegensatz dazu fürchtet sich die Sonne in der Dunkelheit und kommt deshalb niemals in der Nacht heraus. Das einzige andere am Himmel sind die Sterne, die aber zu klein sind, um viel auszurichten; und natürlich die Wolken.«
»Ich bin wirklich in einer anderen Welt«, flüsterte Jenny erschreckt. Sie hatte es zwar schon vorher gewußt, aber irgendwie hatte diese Bestätigung es noch schlimmer gemacht. Wie sollte sie jemals wieder nach Hause kommen, selbst wenn sie diesen schrecklichen Kobolden entkam?
Inzwischen legten andere Kobolde Zweige in ein kleines Feuerloch. Die schläfrigen Kobolde entdeckten das Futter und leckten hungrig nach ihnen. Schon bald gab es einen wild flackernden Brand, der das ganze Dorf ausleuchtete.
»Ich wünschte, ich wäre gründlich in Geographie unterrichtet worden«, sagte Che und starrte auf das große Feuer.
»Warum?« fragte Jenny, da ihr das unwichtig erschien.
»Weil ich dann genau wüßte, welcher Koboldstamm das ist und welche Quälereien ihre Spezialität sind.«
»Würde uns das helfen zu entkommen?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber zumindest würden wir wissen, was uns erwartet.«
Dann schleppten die Kobolde einen riesigen schwarzen Topf zum Feuer und setzten ihn auf einen Eisenrost, so daß die Flammen an ihm hochzüngelten. Sie brachten Eimer mit
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