Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Er ist euch gefolgt.«
»Hat er keine Angst vor uns?«, flüsterte Tom.
»Er hat Hunger. Es gibt hier kaum noch Wild, also darf er nicht besonders wählerisch sein.«
Der Leopard blickte Tom geradewegs in die Augen. Ihm lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Das elegante Tier schien ein paar Schritte auf ihn zuzugehen, dann stieß es ein tiefes Grollen aus, das Tom durch Mark und Bein ging. Alle Haare seines Körpers stellten sich auf, denn er erkannte jetzt die Gefahr, die von diesem Leoparden ausging. Er war etwa zwei Meter lang, ein riesiges, massives Tier, dessen langer Schwanz nervös hin und her zuckte. Tom machte einen Schritt rückwärts, doch Peter hielt ihn sofort zurück.
»Bleib stehen! Du darfst nicht zurückweichen, sonst nimmt er dich als Mittagessen wahr.«
Tom nickte. Er sah zu Andrea hinüber, die mit vor Schreck geweiteten Augen auf das riesige Raubtier starrte. Der Leopard wandte nun den Kopf und betrachtete seinerseits Andrea. Seine grünen Augen schimmerten im hellen Licht, er fletschte die riesigen Zähne und setzte unendlich langsam eine Pfote vor die andere. Er legte die Ohren an, während er auf sie zuschlich. Dabei hatte er Andrea ununterbrochen im Blick. An den Schultern des Tieres zeichneten sich kräftige Muskeln ab, die ihm jederzeit einen gewaltigen Sprung ermöglichten. Tom verspürte den Impuls, dazwischen zu gehen, doch Peter hielt ihn weiter fest. Der Leopard kam Andrea immer näher. Sie erhob sich, schien weglaufen zu wollen, aber Imarika war neben sie getreten, verhinderte jede weitere Bewegung. Wie paralysiert blickte Andrea dem gewaltigen Tier entgegen, auf dessen Fell nun in der Sonne ganz schwach die typischen Leopardenflecken zu erkennen waren. Schwarz auf schwarz.
Die Raubkatze kam bis auf etwa zwanzig Meter an Andrea heran, setzte zum Sprung an und schon befürchtete Tom, alles sei verloren, als Peter plötzlich vorpreschte, auf den Leoparden zurannte, seinen Mund aufriss und in einer Lautstärke zu schreien begann, die Tom ihm gar nicht zugetraut hatte. Der Leopard zuckte zusammen, wich zurück, änderte seine Strategie und fixierte Peter als Angriffsziel. Doch nun hielt sich auch Tom nicht länger zurück, rannte dem Guide hinterher und brüllte ebenfalls aus Leibeskräften. Wieder zog sich das Tier etwas zurück, noch immer hatte es die Ohren angelegt und fletschte bedrohlich die Zähne. Die zwei Männer stürmten auf den Leoparden zu, verringerten den Abstand immer weiter, bis dieser sich, durch das Geschrei und die doppelte Macht eingeschüchtert, zum Rückzug entschloss. Mit ein paar Sätzen sprang er zwischen den Büschen hindurch und verschwand spurlos aus ihrem Blickfeld.
Stille kehrte ein. Peter wandte sich zu Tom um, schaute ihm anerkennend in die Augen und nickte ihm zu.
»Danke«, sagte er knapp. Dann forderte er ihn und die anderen zum sofortigen Aufbruch auf. »Ich denke, wir sind den Leoparden vorerst los, aber vermutlich konnte man uns durch den halben Ruwenzori hören. Was übrigens keinen großen Unterschied mehr macht, nachdem die Herren vorgezogen haben, sich hier lautstark zu streiten. Ihr habt die Aufmerksamkeit aller Lebewesen mit Ohren im Umkreis von zehn Kilometern auf euch gezogen, verdammt. Wir gehen los.«
»Welche Richtung?«, stammelte Andrea, die noch völlig unter dem Eindruck des Leoparden stand.
»Wir gehen nach Süden. Eure Richtung war grundsätzlich richtig. Den Weg im Osten, den Central Circuit, können wir nicht nehmen, denn da werden sicherlich die Rebellen patrouillieren. Im Westen ist die Grenze zum Kongo, eine dünn besiedelte und unsichere Region – da können wir keine Hilfe erwarten. Wir können also nur versuchen, den Kilembe-Trail weiter im Südwesten zu erreichen, in der Hoffnung, dass uns dort ugandisches Militär entgegenkommt.«
»Wieso sollte dort Militär sein?«, fragte Tom.
»Ich denke, dass bereits Rescue-Teams unterwegs sind.«
»Und woher sollen die wissen, dass wir Hilfe brauchen?«
»Gharib, deinem Träger, ist bestimmt die Flucht gelungen. Er wird mittlerweile Alarm geschlagen haben. Er ist gewitzt, ich traue ihm zu, dass er den Rebellen entkommen konnte.«
»Und wenn er es nicht geschafft hat?«
»Dann müssen wir noch weiter in Richtung Süden laufen.«
»Oder nach Südwesten ...«
»Warum?«, wollte Peter erstaunt wissen. »Da ist doch nichts mehr ...«
»Den Karten zufolge nicht, aber ich habe von einem verborgenen Tal gehört ...«
Peter lachte. »Hat man dir dieses Märchen
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