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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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habe gehört, dass unter den Trägern keine Frauen sein dürfen, weil sonst die Geister zornig werden. Stimmt das?«, wollte sie wissen.
    Nzanzu lachte. Ihm fehlten einige Zähne, seine Haut war vom Wetter gegerbt, seine Haare waren an vielen Stellen schon weiß. Dennoch konnte Andrea nicht einschätzen, wie alt er sein mochte. Mitte vierzig bestimmt. Vielleicht auch fünfzig.
    »Wir leben hier mit vielen Geistern zusammen. Einige können schon mal unfreundlich werden, wenn wir uns nicht an ihre Gesetze halten.« Er blickte in die Berge hinauf, bevor er fortfuhr: »Wir glauben daran, dass die Seele weiterlebt, wenn der Körper stirbt. Vor allem die Sippenmitglieder, die wichtige Aufgaben meistern oder seherische Gaben haben, leben weiter. Sie begleiten und beschützen ihre Verwandten lebenslang.«
    »Und du kannst diese Geister sehen?«, fragte Andrea neugierig.
    Sie marschierten durch fünf Meter hohes Elefantengras. Der Boden war durch Laub und vertrocknete Grasstängel weich gepolstert. Sanft stieg der Weg bergauf, der betörende Duft vieler Blüten umfing sie. Das Rauschen des nahen Flusses bildete die Hintergrundkulisse zu den Rufen Hunderter Vögel. Die Sonne stand mittlerweile hoch über ihnen, wärmte die Haut. Bunte Schmetterlinge stoben wie eine große Wolke in die Luft, als die Wanderer ihnen zu nahe kamen, ließen sich dann hinter ihnen wieder auf dem feuchtwarmen Boden nieder.
    Der Alte wiegte den Kopf. »Manchmal kann ich sie sehen. Aber es reicht, dass wir wissen, sie sind da. Das hilft uns.« Er wies mit beiden Händen um sich herum. »Sie sind hier, überall um uns herum. Die meisten von ihnen beschützen uns. Aber nicht alle dieser Geister sind gut. Unter ihnen befinden sich einige, die nicht eines natürlichen Todes gestorben sind. Vor denen müssen wir uns in acht nehmen. Meistens nehmen uns das die guten Geister ab, die Abalimu. Doch manchmal, in besonderen Lebenssituationen, bestimmen die Ebirimu unsere Geschicke. Dann kann das Leben schlimm werden.«
    Die Sonne durchbrach immer wieder das allmählich dichter werdende Blätterdach. Insekten schwebten über ihre Köpfe hinweg. Auf einem Ast am Wegrand saß völlig reglos ein Chamäleon, das Andrea mit seinen unabhängig voneinander beweglichen Augen beobachtete.
    »Und was tust du, wenn das geschieht?«
    »Ich bitte die Abalimu, mich noch stärker zu beschützen. Ich kann ihnen Opfer bringen oder zu ihnen beten. In besonders schweren Fällen kann ich einen unserer Alten hinzuziehen, der sich mit den Ebirimu besser auskennt. Ihr nennt Männer wie ihn wohl Medizinmänner. Für uns sind sie Berater in allen schwierigen Lebenslagen.«
    »Was geschieht denn, wenn einer von diesen Ebirimu auftaucht?«
    »Meistens kommen sie in der Nacht. Selten auch am Tag. Sie verstecken sich oft im Nebel, den es oben in den Bergen immer gibt. Sie schreien und singen, so als wären sie lebendige Menschen. Und sie sprechen mit dem, den sie befallen, in der Stimmlage eines verstorbenen Verwandten. Manchmal wird man dann sehr schwer krank, und nur die Alten können noch helfen. Hin und wieder kündigen sie aber auch den Tod eines geliebten Verwandten an. Und vor allem sehen sie jedes Mal anders aus.«
    »Du hast erzählt, dass du diesen Geistern selber schon begegnet bist ...«
    Das Elefantengras wogte in einer sanften Windböe hin und her. Der schwere Duft des Waldbodens, der mit jedem Schritt feuchter wurde, lag in der Luft.
    »Ähnlich wie beim Tod meiner Mutter war es, als mein Vater starb. Ich war an dem Tag nicht zuhause, weil ich eine Gruppe wie die eure begleitet habe. In der Nacht sind sie gekommen und um mein Zelt herumgeschlichen.«
    »Was hast du dann gemacht? Es war doch vermutlich keiner von den Alten in der Nähe.«
    »Ich wusste sofort, dass mein Vater starb, und bin noch in der Nacht aufgebrochen. In meinem Dorf habe ich meinen Vater begraben. Das hat die Ebirimu besänftigt. Am Abend des nächsten Tages war ich wieder bei der Gruppe, die mittlerweile mit den anderen Guides ein Camp weiter hinauf gestiegen war. Die Europäer haben das gar nicht gemerkt.« Er lachte. »Für euch sehen wir ja alle gleich aus.«
    Verschmitzt blinzelte er ihr zu und eilte dann mit schnellen Schritten weiter nach vorne. Die Reisegruppe erreichte eine wackelige Brücke, die über einen wild gurgelnden Fluss zu ihrer Rechten führte. Andrea blickte dem Mann verwundert nach. Er war klein, ungefähr einen Meter sechzig groß. Auch die Träger waren alle in dieser Größe. Nur

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