Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
Vom Netzwerk:
Signal. »Hab ich dich geweckt?«
    »Nein, Sirantha. Ich bin bereits seit einigen Stunden wach. Was kann ich für Sie tun?«
    Er kennt mich also schon gut genug, um zu wissen, dass ich nicht nur plaudern will. »Könntest du bitte rüberkommen? Dann kann ich es dir erzählen.«
    »Mit Vergnügen.« Ende der Unterhaltung.
    Vielleicht bin ich ja paranoid, aber ich möchte die Sache nicht über das Com besprechen. Die Ithorianer könnten mithören, und ich will nicht, dass irgendwas bekannt wird. Ob gut oder schlecht, was in meinem Schlafzimmer passiert, bleibt auch dort.
    Außer bei dem einen Mal, als dieses Privatvideo in den Mitternachtsnachrichten gelandet ist. Aber damit hatte ich nichts zu tun. Wäre ich nüchtern gewesen, ich hätte dem Kerl nie erlaubt, uns zu filmen. Viele Umläufe – und Narben – ist das jetzt her.
    Ich führe einen Basis-Scan durch: Die Suite scheint sauber. Vel wird wissen, was zu tun ist.
    Er ist schneller da, als ich gedacht habe, und ich erhebe mich, um ihn zu begrüßen. Der Wa ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen, aber Vel hält überrascht inne, bevor er die Verneigung erwidert.
    Ich wünschte, ich könnte seine Kopfhaltung und die Dauer seiner Verbeugung besser interpretieren. Die Ithorianer können Tausende Botschaften in solche Gesten legen, und ich habe gerade erst angefangen, sie zu entschlüsseln. Es würde mehrere Umläufe dauern, bis ich auch nur die Hälfte davon verstehe. Ich kann zwar eine Beleidigung von aufrichtiger Höflichkeit unterscheiden – schließlich war das einer der Schwerpunkte meines Crashkurses –, aber alles, was nur ein bisschen subtiler ist …
    Als Vel sich wieder aufrichtet, bewegen sich seine Mandibeln bedeutungsvoll. »Ihre Umgangsformen sind mittlerweile … exquisit, Sirantha. Diese Nuance, die Sie in Ihren Wa gelegt haben, war sehr … lyrisch.«
    Ich bin aufrichtig erstaunt über sein Kompliment. »Wirklich? Was habe ich gesagt?«
    »Die Dämmerung ist zerbrochen, brauner Vogel blickt auf weiße Welle. Der Himmel ist weit und verloren, alle Lieder verhallt.«
    »Das alles habe ich mit einem einzigen Wa gesagt?«, frage ich verblüfft.
    Velith neigt den Kopf. »Sehr … nuanciert.«
    »Ithorianisch muss eine wundervolle Sprache sein.« Zum ersten Mal wünsche ich mir, ich könnte sie auch ohne Chip verstehen, könnte selbst all die Bilder und Symbole herauslesen.
    »Sie kann es sein. Es gibt eine dringliche Angelegenheit?«
    »Ja.« Ich zeige ihm meinen Hals. »Wir müssen einen Weg finden, das hier zu einem Zeichen der Stärke zu machen. Wenn ich nur ein bisschen von deinem Volk verstehe, werden sie die Male als Verletzbarkeit interpretieren, und das würde meine Verhandlungsposition schwächen.«
    Vel macht einen Schritt auf mich zu und dreht mit den Krallen meinen Kopf ein Stück zur Seite. »Das war Marsch?«, fragt er in vollkommen neutralem Tonfall.
    »Er wollte es nicht.« Widerlich . Ich komme mir vor wie eine Frau, die ihren prügelnden Ehemann verteidigt. »Er war nicht bei sich.«
    »Wie dem auch sei. Aller Respekt, den Sie sich seit Ihrer Ankunft verdient haben, wäre dahin, würde bekannt, dass ein Männchen ihnen Schaden zufügen konnte. Auf Ithiss-Tor sind es die Männchen , die von ihren Partnern den Kopf abgerissen bekommen. Gelegentlich, zumindest.«
    Hat er gerade einen Witz gemacht? Schwer zu sagen. Sein Humor ist so subtil und trocken, ich brauche nur zu zwinkern, und schon habe ich den Scherz verpasst.
    »Und was tun wir jetzt?«
    Er dreht meinen Kopf von links nach rechts und begutachtet die Male. »Kein struktureller Schaden, nur eine oberflächliche Verfärbung.«
    Ich lächle, weil seine Worte klingen, als würde er von einem alten Lagerschuppen sprechen, dem die Witterung ein bisschen zugesetzt hat.
    »Wenn wir Saul holen, um Sie zu behandeln, wird jemand es melden. Das Gleiche gilt, wenn wir zum Schiff gehen.«
    Ich zucke mit den Schultern. »Er kann die Würgemale auch nicht wegzaubern. Bisher war das eine eher seltene Verletzung an Bord. Glücklicherweise.«
    Vel lässt die Hand sinken. »Es gibt nur eins, das wir in dieser Situation tun können.«
    »Und das wäre?«
    »Sie bemalen.«
    Ohne ein Wort der Erklärung geht er in sein Quartier – vermutlich, um die Sachen zu holen, die er für sein Vorhaben braucht. Als er wieder zurück ist, mischt er erst einmal die Farbe. Es ist ein leuchtendes Waldgrün, dunkel und kräftig. Es riecht sogar ein bisschen wie ein Wald direkt nach Einbruch der

Weitere Kostenlose Bücher