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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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ich wild darauf, es mir selbst zu beweisen. Also verkleidete ich mich als einfacher Soldat und marschierte mit. Es war wirklich ungeheuer dumm von mir. Ich hätte so leicht getötet werden können. Aber sie hätten es mir, ihrem Erben, verboten, wenn ich gefragt hätte. Maetas Mutter, die damals die Wache von Stronghold kommandierte, hat mich erwischt, doch sie beschloss für sich, dass sie mich nicht gesehen hatte. Sie erkannte, dass ich es einfach tun musste, weil meine Eltern mich zu sehr behütet hatten. Meiner armen Mutter blieb fast das Herz stehen, und mein Vater war sehr wütend. Aber er hat mich noch auf dem Feld zum Ritter geschlagen.«
    »Und Ihr wollt nicht, dass Pol sich genauso zu etwas getrieben fühlt«, meinte Pandsala. »Trotzdem ist es ein schreckliches Risiko, Herr.«
    »Sioned wird natürlich toben, wenn sie davon erfährt. Aber es hilft nichts. Ich frage mich oft, warum ich mich damals meinen Eltern nicht schon viel früher widersetzt habe. Vielleicht war es Mangel an Gelegenheit, aber ich glaube, es war in Wirklichkeit die Angst vor meinem Vater.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Bei mir war es das Gleiche«, sagte sie und vermied es, Rohans Blick zu begegnen. »Wir hatten alle furchtbare Angst vor Roelstra. Aber Ihr habt Euren Vater sicher nie so gehasst wie ich meinen.«
    »Mit uns beiden als Beispiel fragt Ihr Euch immer noch, warum ich es Pol wohl erlaube? Er soll es nicht nötig haben, etwas so Dämliches zu tun wie ich …«
    »Oder etwas so Böses wie ich. Wir sind wirklich erbauliche Beispiele, Herr.« Sie rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Also schön, ich verstehe. Aber ich werde dafür sorgen, dass meine besten Leute mit ihm da hochklettern.«
    »Danke. Mehr können wir nicht tun, wisst Ihr, nur alle erdenklichen Vorkehrungen treffen und dann der Gnade der Göttin vertrauen.« Er seufzte traurig. »Offen gesagt finde ich die ganze Idee ungeheuer beängstigend. Aber ich muss Pol lassen, wie er ist und was er ist. Er muss so sein, ob ich es erlaube oder nicht. Warum soll ich also dagegen ankämpfen?«
    »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    »Außerdem«, schloss Rohan grinsend, »ist es ganz natürlich, dass mein Jungdrache fliegen will. Pandsala, ich würde morgen gern mit jedem einzelnen Vasallen allein sprechen. Würdet Ihr das bitte für mich arrangieren?«
    »Selbstverständlich, Herr.« Sie hielt nachdenklich inne und suchte seinen Blick. »Wisst Ihr, all diese Unterschiede zwischen Euch und meinem Vater – als Männer wie als Hoheprinzen – laufen, glaube ich, nur auf das eine hinaus: Mein Vater hat sein Leben lang zu niemandem ›bitte‹ gesagt.«
    Pol war froh über seine dicke Lederjacke, als die Aufwinde vom Fluss tief unter ihm in kalten Böen über die Felswand bliesen. Drei Viertel des Sommers waren vorüber, und während es in der Wüste und auf Graypearl sicher noch sengend heiß war, hatten sich hier in den Bergen letzte Nacht bereits wieder Wolken gebildet. Nachdem ihm sein Vater nun endlich das Klettern erlaubt hatte (nach vier Tagen hartnäckiger Bitten mit genauen Plänen), hätte es Pol gerade noch gefehlt, dass ihm ein spätsommerlicher Regenschauer einen Strich durch die Rechnung machte. In zwei Tagen würden sie nach Waes aufbrechen; er musste heute klettern, oder es war vorbei.
    Zum ersten Mal, seit er sich aufwärtskämpfte, sah er nach unten und schluckte. Es war ihm nicht klar gewesen, wie weit er schon war, wie tief unter ihm der Fluss jetzt lag. Er hielt sich besser an dem Eisenring fest, der in den Fels getrieben war, und zwang sich, den Kopf zu heben. Er wollte abschätzen, wie weit es noch war und wie lange er noch zu klettern hatte. Er spürte, wie jemand an dem Seil um seinen Bauch zog, damit er den nächsten Abschnitt in Angriff nahm. Er schluckte entschlossen, denn er wollte sich nicht eingestehen, dass nur ein Dummkopf ohne Not an dieser Wand hochkletterte.
    Als seine Finger und Zehen Halt fanden, kehrte sein Selbstvertrauen zurück. Es war gar nicht viel anders, als in den zerklüfteten, vom Wind verformten Steinen des Vere herumzuklettern, nur war die Wand höher. Der Ausblick war fantastisch; er fühlte sich wirklich mit den Drachen verwandt. Er stellte sich vor, er besäße Flügel und würde sich hinausschwingen und dann über die Schlucht hinwegfegen. Jede Faser seines Körpers würde singen …
    »Pol! Gebt acht!«
    Maetas Befehl ließ ihn aufmerken und erinnerte ihn daran, dass er eindeutig kein Drache war. Er zog sich auf einen schmalen

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