Mondlaeufer
Felsabsatz hoch und stand schwer atmend neben ihr.
»Macht Spaß, was?« Sie grinste ihn an. »Ihr haltet Euch gut. Zieht an Maarkens Seil, dann nehmen wir den Gipfel ins Visier.«
»Wie weit eigentlich noch?« Er spähte nach oben.
»Halb so weit, wie wir es schon hinter uns haben. Dann gibt es ein Picknick, und wir ruhen uns aus, und anschließend fliegen wir wieder runter.«
»Ich wünschte, wir könnten nach oben fliegen.«
Maeta lachte und rieb ihm liebevoll die Schulter. »Was zählt, ist die Herausforderung. Das Fliegen will erst einmal verdient sein, wisst Ihr. Denkt nur an den schönen, ruhigen Ritt durch die Klamm, wenn wir fertig sind! Dann könnt Ihr sogar auf Eurem Pferd einschlafen. Wir sehen uns oben, Jungdrache.«
Sie stieg wieder weiter, und Pol sah zu, wie sie die Handgriffe neben dem nächsten Eisenring suchte. Maeta zog das Seil hindurch und band es von sich los, um Pol für den nächsten Kletterabschnitt zu sichern, so wie sie durch den Mann über sich gesichert war. Bald war auch Maarken bei Pol auf dem Absatz angekommen und rang nach Atem.
»Ich muss verrückt gewesen sein, hierbei mitzumachen!«
»Wir beide«, gab Pol zu. »Mir gehen allmählich die Fingernägel aus.« Er zeigte seine zerkratzten, von den scharfen Felsen blutverschmierten Hände und grinste seinen Vetter an. »Aber das ist es wert! Sieh nur!«
Maarken schien den Himmel, die Bäume und die Felsen einzuatmen. Sein Blick blieb wie der von Pol an den bunten, wilden Blumen hängen, die sich an die Felsen klammerten. »Herrlich!«, rief er aus. »Aber ich sehe lieber nicht nach unten. Beim letzten Mal hätte es mich fast mein Frühstück gekostet. Ich glaube nicht, dass ich morgen auch nur aus dem Bett klettern kann! Aber du hast recht, das ist es wert.« Er blickte angestrengt über die Klamm und zeigte auf zwei kleine Punkte. »Sind das dein Vater und Pandsala?«
Pol winkte und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Mit einem festen Griff um Pols Schulter hielt Maarken ihn zurück. »Danke«, sagte der Junge mit weichen Knien. »Meinst du, sie sehen uns?«
»Deine blaue Jacke sieht man bestimmt eine halbe Länge weit.«
»Als wenn du unauffällig wärst!«, zürnte Pol und berührte die hellrote Jacke seines Cousins. Ein neuerlicher Ruck am Seil ließ ihn aufmerken, und er stieg weiter. Nachdem sie nun schon den halben Vormittag kletterten, wusste er genau, was zu tun war. Doch die Vertiefungen im Fels waren für erwachsene Leute gedacht, nicht für einen Jungen, der erst den fünfzehnten Winter vor sich hatte. Mitunter musste er sich gewaltig strecken, um den nächsten Haltepunkt zu erwischen, und allmählich taten seine Schultern und Beine ihm wirklich weh. »Wann zur Hölle werde ich endlich richtig wachsen?«, schimpfte er vor sich hin, als er sich nach einer Nische reckte und sie nur gerade eben erreichte.
Er wollte nicht nur an Körpergröße zulegen. Während der letzten paar Tage hatte Pol an Gesprächen mit Männern teilgenommen, die eigentlich seine Vasallen waren, mit Botschaftern und mit Abgesandten aus anderen Prinzenreichen. Rohans Warnung, dass ein Prinz manchmal sehr langweiligen Leuten zuhören müsse, hatte sich dabei bestätigt; zeitweise hatte Pol kaum noch die Augen offen halten können. Aber es war lustig, wie diese Leute zwischen ihm und Rohan hin- und herblickten – dem wahren Besitzer der Prinzenmark und dem wahren Herrscher. Sie konnten sich offensichtlich nicht entscheiden, ob sie Pols Meinungen wirklich ernst nehmen sollten oder ob sie ihn eher mit amüsierter Nachgiebigkeit behandeln sollten: als Jungen, der sich für einen Prinzen ausgab. Es wäre schön, älter zu sein, überlegte er, während sein Zeh sich einen neuen Halt suchte, so alt und so groß wie Maarken und auch mit dessen Autorität.
Er hatte sich gerade am nächsten Ring festgemacht, als er hörte, wie Metall auf dem Felsen aufschlug. Sein Kopf fuhr herum, und etwas Graues, leicht Rostiges fiel neben ihm in die Schlucht hinunter. Er sah nach oben, wo Maeta mit ausgestreckten Armen und Beinen am Felsen klebte.
»Maeta!«
»Überprüft den Ring, Pol. Schnell!«
Er untersuchte den Eisenring, und sein Herz blieb einen Moment lang stehen. Der Bolzen, der den Ring hielt, saß nicht mehr richtig fest. Unter Belastung würde er wahrscheinlich gerade noch Pols Gewicht halten können: Und wohl nicht einmal das sehr lange.
»Er ist lose, nicht wahr?«, rief Maeta leise. Ihre Stimme klang etwas atemlos.
Er untersuchte die Stelle, wo
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