Mondlaeufer
offensichtlich auch da bleiben wollen, wo er hingehörte. Pol hatte sich aufgesetzt und gestöhnt. Jeder einzelne Muskel seines Körpers hatte von der Heftigkeit seiner Reaktion auf die Überfahrt geschmerzt. Ein sehr alter Mann hatte vor dem Kamin gedöst. Das Geräusch ließ ihn aus seinem Nickerchen auffahren, und ein freundliches Lächeln gesellte sich zu den Falten seines Gesichtes.
»Ich dachte, du würdest eine ruhige Nacht auf festem Boden zu schätzen wissen, ehe wir nach Graypearl reiten. Geht es dir besser? Oh, ich sehe schon. Du hast schon wieder Sommersprossen auf der Nase, keine grünen Flecken mehr.«
So hatte Pol Prinz Lleyn von Dorval kennengelernt. Er hatte das Frühstück, das der alte Prinz vorgeschlagen hatte, ausgeschlagen, und sie waren in den großen Palast hinaufgeritten, wo sich alles versammelt hatte, um den zukünftigen Hoheprinzen zu begrüßen. Dank jener Nacht konnte Pol sich entsprechend würdevoll benehmen, und seine Dankbarkeit war so groß, dass er den gebeugten alten Mann, dem er von seinen Eltern anvertraut worden war, beinahe anbetete.
Ähnliche Vorbereitungen hatte man auch in Radzyn getroffen, sodass Pol und Meath sich nach den Strapazen der Reise erst einmal ausschlafen konnten, ehe sie offiziell in Burg Radzyn eintrafen. Man geleitete sie vom Schiff aus gleich in ein kleines Haus am Hafen, das Lord Chaynal gehörte, und steckte sie unter kühle Decken. Am anderen Morgen wurden sie von Pols Cousin Maarken begrüßt.
»Ich frage lieber nicht, wie die Überfahrt war«, sagte er und lächelte mitfühlend, als die beiden ihn müde anblinzelten. »Ich erinnere mich selbst noch viel zu gut daran. Aber ihr seht ja beide schon ganz lebendig aus.«
Meath blickte ihn leidvoll an: »Letzte Nacht hatte ich da so meine Zweifel.« Er drehte sich zu Pol um und fragte: »Geht es Euch besser, Prinz?«
»Na ja. Es wird nie einfacher, oder?«, seufzte Pol.
»Nie!«, bestätigte Meath. »Möchtet ihr etwas essen?« Maarken musste lachen, als sie das Gesicht verzogen. »Schon gut, dumme Frage. Draußen stehen Pferde, falls ihr glaubt, ihr könnt euch bereits im Sattel halten.«
Das konnten sie. Die Leute im Hafen brachen zwar nicht in Jubelrufe aus, hielten aber in ihrer Arbeit inne, um Pol und ihren jungen Herrn zu grüßen. Maarken sah seinem Vater sehr ähnlich: groß, athletisch gebaut, mit dunklen Haaren und grauen Augen wie das Sonnenlicht, wenn es durch Morgennebel fällt. Allerdings war er von leichterer Statur als Chaynal; die schlanken Knochen seiner Vorfahren mütterlicherseits hatten sich bei ihm gestreckt, waren nicht stärker geworden. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren hatte er das Versprechen von Größe und Stärke bereits eingelöst, das in seinem jüngeren Cousin bislang nur zu ahnen war. Außerdem trug er sechs Lichtläufer-Ringe und Pol noch keinen. Als sie die Umgebung der Stadt verließen und auf die Straße gelangten, die sich zwischen den frisch gesäten Feldern hindurchschlängelte, fing er den neidvollen Blick des Jungen auf und lächelte.
»Eines Tages wirst du deine eigenen haben. Erst als ich zum Ritter geschlagen war, ließ mich Vater an die Schule der Göttin und zu Lady Andrade gehen.«
»Wie ist sie?«, fragte Pol. »Ich habe nur undeutliche Erinnerungen an sie aus der Zeit, als ich klein war. Und Meath und Eolie sagen mir immer nur, dass ich es eher herausfinden werde, als mir lieb ist.«
Meath grinste und zuckte die Achseln. »Das ist doch die reine Wahrheit, nicht wahr, Maarken?«
Die beiden waren Freunde, seit Maarken als Knappe an Lleyns Hof gewesen war. Der junge Lord erklärte seinem Cousin: »In Waes wirst du Gelegenheit haben, sie selbst zu sehen. Dieses Jahr wird es ein richtiges Familientreffen geben. Andrade bringt Andry mit, und Sorin soll von Prinz Volog zum Ritter geschlagen werden.«
Die Zwillinge Andry und Sorin waren Maarkens einundzwanzigjährige Brüder. Sie hatten für ihr Leben verschiedene Wege gewählt. Andry hatte wie Maarken die Faradhi -Gaben geerbt, hatte jedoch keinen Grund dafür gesehen, erst Knappe und Ritter zu werden, da er immer nur Lichtläufer hatte werden wollen. Als Sorin nach Kierst zu Volog geschickt wurde, kam Andry zu Sioneds Bruder, Prinz Davvi von Syr. Doch schon nach wenigen Jahren hatte er bei seinen Eltern endlich Gehör gefunden. Seine Fortschritte beim Erwerb der Ringe hatten ihn in seiner Entscheidung bestärkt.
Über Pols Kopf hinweg sah Maarken zu Meath hinüber: »Wann brecht Ihr denn zur Schule
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